Weder Herr noch Knecht sein

Diplom-Germanist Dieter Fratzke trägt Heiteres und Besinnliches von Gotthold Ephraim Lessing ( 1729-1781) vor.

Dieter Fratzke mit  Illustration von Werner Klemke zu "Die eheliche Liebe"Wie kaum ein anderer hat er den Puls seiner Zeit gefühlt und ist vielfältiger Impulsgeber bis heute, Gotthold Ephraim Lessing. Dieter Fratzke hat sein Faible für Lessing in einem eindrucksvollen Vortrag beim Hoyerswerdaer Kunstverein weitergegeben.
Eigentlich hatte Dieter Fratzke, der langjährige Leiter des Lessing-Museums in Kamenz, vorgehabt, ausschließlich auf die heitere und besinnliche Seite Lessings hinzuweisen, doch am Schluss stand der ganze Lessing da. Ein hochgebildeter Mensch, der mehrere Sprachen spricht, der gern lebt, der seine Zeit mit allen seinen Sinnen wahrnimmt, der tiefgründig nachdenken kann und der alles Erlebte in die Zeiten überdauernde Literatur verwandelt. Einer, der auf einem Sockel nicht stehen will, der aber Wert darauf legt, von vielen gelesen zu werden. So wurde der Abend den Zuhöreren Vergnügen und Denkstunde zugleich.
Der Tradition verhaftet, sollte Lessing als ältester Sohn des Kamenzer Pfarrers, Johann Gottfried Lessing, Theologie studieren, was er denn auch begann. Allein bis hierhin war es finanziell ein mühevoller Weg für den Vater, er fand Sponsoren für die Fürstenschule Sankt Afra in Meißen und für das Theologiestudium in Leipzig. Doch als Lessing keinerlei Gefallen am Theologiestudium fand, wechselte er, zum verständlichen Missfallen des Vaters, zu Medizin und Philosophie, promovierte in Wittenberg zum Magister der Sieben Freien Künste, wozu neben den beiden genannten Künsten auch Literatur, Mathematik und Physik gehörten.
Erste literarische Versuche finden sich in Sinngedichten, die in Leipzigs Kaffeehäusern entstanden, Sinngedichte nicht zum religiösen Nachdenken, sondern zum Nachdenken über Holzstiche von Werner Klemke zu Gedichten von Gotthold Ephraim Lessing: " Wer pocht? Herr Nachbar, nur herein!"das Leben mit allen seinen Sinnen, in wenigen Zeilen nahm er die Missstände der Gesellschaft aufs Korn, im Äußeren heiter, in der Aussage messerscharf ernst. Das böse Weib, der Mönch im Hurenhaus, die Gier der Reichen und Mächtigen, Gefallsucht von Mann und Weib, das Jungfernstift ohne Jungfern, der Wein, der die Alten jung und die Jungen klug macht, all das kommt bei Lessing zu Wort und wird von Dieter Fratzke erfrischend deklamiert.
Die Liebe mit himmlischen Höhen und irdischen Seufzern, das Loblied auf Wein und Bacchus findet sich in den Liedern wieder, immer auf die Lessingsche Art: Die Türken haben schöne Töchter, wer will kann mehr als eine frein... Ich möchte schon ein Türke sein... Und doch, sie trinken keinen Wein; nein, nein, ich mag kein Türke sein.
Dieter Fratzke ist es wichtig, immer wieder auf die Verbindungen zwischen Lessings heiteren Gedichten und seinen Dramen und philosophischen Schriften hinzuweisen, die Toleranz und Humanität einfordern. Die Frauen, Minna von Barnhelm, Emilia Galotti und Miss Sara Sampson, sind allesamt intelligente, selbstbewusste Frauen und entsprechen nicht der ihnen von der Gesellschaft verordneten Rolle und dem bösen Weib der Sinngedichte. Denn böse ist sie aus der Betrachtung des Mannes, der ihr freien Willen und Mitbestimmung abspricht.
1978 wurden Gedichte Lessings von Werner Klemke und Wolfgang Würfel illustriert, dies steigerte den künstlerischen Genuss ein weiteres Mal und gab dem Vortrag eine besondere Würze oder frei nach Lessing selbst: /Das gute Kind will allen/ Wie ihres Vaters Reim gefallen.
Das Fazit über sein Leben wünscht Lessing so zu lesen: So sei die Summe dies: Er lebte schlecht und recht/ Ohn Amt und Gnadengeld/ und niemands Herr noch Knecht.

Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt

 

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