Die Slowakei, ein Land zwischen fremden Ländern und fremden Herrschern

Erich Busse, Pfarrer im Ruhestand aus Dresden, sucht auf einer Reise durch die Slowakei nach Geschichte und Geschichten

Der Tourist kennt die Slowakei im wesentlichen durch die Touristenzentren Hohe und Niedere Tatra. Doch es gibt hier viel mehr zu erkunden, eine bewegte, uralte, mit Kriegen und Leid verbundene Geschichte, auf deren Zeugen man allerorten trifft. Ein Land, dass das erste Mal seit 1989 als selbständiger Staat existiert, ein Staat, der sich mit seiner Geschichte auseiander setzt, stolz auf Vieles ist, aber auch bereit, Schuld zu benennen. Erich Busse erzählt, wie schon häufig beim Hoyerswerdaer Kunstverein, die Geschichte des Landes anhand der Kirchengeschichte. Seine Sicht auf gestern und heute innerhalb der Kirche ist nicht verschwiegen, er bevorzugt eine sehr realistische Betrachtung von eigener Schuld als Voraussetzung für ein harmonischen Miteinander heute. Fehlverhalten findet häufig auf beiden Seiten statt.
Elisabethkirche in Košice, mit der Heiligen Elisabeth von ThüringenSeine Reise beginnt in Košice, im Osten der Slowakei. Allein an den häufig wechselnden Ortsnamen ist die wechselvolle Geschichte der Herrscher ablesbar, erobert und beherrscht von den Mongolen, Franken, Deutschen, Habsburgern, Ungarn, Slawen, Tschechen, Hitlerdeutschland und vielen anderen: Košice, deutsch Kaschau, ungarisch Kassa, rumänisch Kascha, im Lateinischen Cassovia.
Die Stadt lag an bedeutenden Handelswegen, hatte viele Privilegien und war zwei Jahrhunderte lang der Sitz der Rákóczi-Dynastie. 2013 wurde Košice Kulturhauptstadt Europas mit einem sehr eindrucksvollen Stadtkern aus dem 13. Jahrhundert, und einer Architektur, die europäischer nicht sein kann. Mittelpunkt ist die gotische Elisabethkirche, die auf Elisabeth von Thüringen zurückgeht, die als 4-jährige Tochter des Königs von Ungarn an den Thüringer Hof kam. Bildhauerarbeiten an der Fassade und ein einzigartiger, geschnitzter Altar sorgen für Bewunderung. Die Stadt ist heute Bischofssitz für die griechisch- katholische und römisch-katholische Kirche sowie für die evangelisch- reformierte. Fragwürdig erscheint Erich Busse eine Gedenktafel aus dem Jahr 1938 an der Elisabethkirche für Franz II. Rákóczi (1676 -1735), der trotz eines moralisch umstrittenen Lebens in Ungarn und in der Slowakei als Nationalheld gefeiert wird, er kämpfte gegen die Habsburger, starb in der Türkei und wurde dort begraben, seine Gebeine wurden 1906 in Budapest erneut aufgebahrt und danach in der Elisabethkirche in Košice beigesetzt.
Viele gute Gründe für also eine Kulturhauptstadt, zumal zusätzlich eine außergewöhnlich moderne Architektur das Stadtbild prägt. Erich Busse verweist auch auf Košice als Sammelpunkt für 380.000 Slowaken und Ungarn, die von hier aus nach Auschwitz transportiert wurden, ausgelöst durch Adolf Eichmanns "Transportabkommen von Kascha". Aus Košice stammte aber auch Sára Salkaházi, eine Lehrerein, die später Nonne wurde, und über 100 Juden das Leben rettete. Dafür wird sie 1944 hingerichtet. 1972 wurde sie eine "Gerechte unter den Völkern".
Hölzerne Artikularkirche in Hronsek, SlowakeiÄhnlich wechselvoll erfahren die Zuhörer die Geschichte von Bardejov/Bartfeld, die im Lutherjahr 2017 den Ehrentitel "Stadt der Reformation" erhielt, von den Besonderheiten im Spišska Nová Ves (deutsch Zipser Land) und von den Artikularkirchen. Diese durften nach 1681, nach einem Prozess im damaligen Pressburg gegen die Lutheraner und nach dem Ödenburger Landtag (Ungarn) errichtet werden. Der Beschluss des Landtages gestattete Lutheranern den Bau von Kirchen, mit vielen Auflagen. Die Kirche muss außerhalb der Stadtmauern errichtet werden, sie darf keinen Turm und keine Glocken haben, es dürfen weder Steine noch Ziegel Verwendung finden und keine Nägel aus Metall. Außerdem war die Anzahl der Kirchen sehr begrenzt, so dass die Besucher der Gottesdienste oft mehrere Stunden zu Fuß gehen mussten. So entstehen die beeindruckenden Holzkirchen mit Platz für mehrere hundert Besucher. Heute zählen die Artikularkirchen zum UNESCO-Welterbe.
Ein versöhnlicher Abschluss des Vortrages war der Hinweis auf eine Gedenktafel, die in Bratislava für die Karpatendeutschen errichtet wurde, die nach 1945 aus der Slowakei vertriebenen wurden, aus einer Gegend, die seit 800 Jahren ihre Heimat war. Ein weiterer vorbildlicher Akt der Versöhnung fand im Jahr 2006 in der Kathedrale von Esztergom statt. Die Vertreter des Bischofkonferenzen von Ungarn und der Slowakei luden zu einem Gottesdienst der Versöhnung ein, es wurden Briefe beider Konferenzen verlesen, in denen über Schuld gesprochen wird, die sich beide Länder im Lauf der Jahrhunderte angetan haben, es heißt darin: "Wir verzeihen und wir bitten um Verzeihung". Zusätzlich wurden Grußworte von Papst Benedikt XVI überbracht. Dieses Beispiel lässt hoffen auf einen versöhnlichen Umgang in Kirche und Politik.
Ein Einblick von Erich Busse in eine fremde Region, die uns plötzlich ganz nahe ist.



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