Gespräch am Kamin zu literarischen Spiegelungen des Warschauer Aufstandes

Das Thema des jüngsten Gesprächs am Kamin, das der Hoyerswerdaer Kunstverein im Schloss mit dem Literaturwissenschaftler Dr. Wolfgang Wessig (Görlitz) gestaltete, war dem Nachdenken über den Beginn des Aufstandes im Warschauer Ghetto vor sechzig Jahren gewidmet.

Der Titel des Abends, „Hiob 43“, nahm den eines Buches auf, das diesem Ereignis vor dreißig Jahren in der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin gewidmet war und Erinnerungen der wenigen Überlebenden und andere zufällig aufgefundene schriftliche Zeugnisse vereinte. Der Referent las eine Auswahl daraus und aus Büchern wie Wladislaw Spilmans Memoiren „Das wunderbare Überleben“ sowie aus Berichten von Marek Edelman und anderen. Sie alle schilderten die Situation im Ghetto: das langsame furchtbare Sterben, die Infamie der deutschen Unterdrücker, deren Menschenverachtung und völlige Gewissenlosigkeit – und dann den verzweifelten Ausbruch der wenigen, schlecht bewaffneten, meist jungen Leute. Wolfgang Wessig las diese bedrängenden Texte ohne Aufwand, zurückhaltend und frei von falscher Sentimentalität, so dass verständlicherweise dem Zuhören ein längeres Schweigen folgte.

Das war die diesen Berichten einzig angemessene Antwort. Zu tief saß die Erschütterung, was Menschen anderen Menschen antun können, wie sehr sie die Achtung vor Leben und Mitmensch verlieren, wenn ihnen ein Unrechtsstaat dabei jegliches Unrechtsbewusstsein raubt. Es zeigte aber auch, wie wichtig es ist, dass eine demokratische Gesellschaft so früh wie möglich und unvergessbar nachdrücklich die jungen Generationen nicht nur in Achtung und Wertschätzung des Anderen neben uns erziehen, sondern diesen auch mit Vorbild vorangehen muss. Ganz im Sinne des Pädagogen Fröbel: „Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts.“

Das anschließend zögernd zustande kommende Gespräch zeigte, wie belastet die Aufarbeitung dieser Geschehnisse durch die jahrzehntelange Tabuisierung in der ehemaligen DDR war; wie schwer Theater und Verlage es hatten, authentische Aussagen zu erhalten. Dies alles wirkt sich bis auf die Haltungen und Stellungnahmen zu heute brisanten Fragen aus. Daher ist Selbstprüfung, Zurückhaltung und Hören auf die Stimmen der Leidenden, der Opfer, wichtiger als der Gefahr zu erliegen, die Täter zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. In jeder Zeit und für jede Generation entstehen Situationen, die Entscheidungen des Einzelnen für oder gegen das Recht des Anderen, für oder gegen Menschlichkeit erfordern. In dem Sinne endete der Abend mit einem Bekenntnis zum Dialog und dem Vermeiden vorschneller Urteile. Das beginnt mit Zuhören, mit Offenheit der Sinne und des Herzens, es erfordert Zurücknahme und Verzicht auf Macht und deren Ausübung – aus welcher Haltung heraus auch immer.
Der Abend am Kamin fügte sich daher in guter Weise in diese Begegnungsreihe in unserer Stadt ein.

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