Gespräch am Kamin mit Selbsterkennungseffekt  


Das Thema des jüngsten Gesprächs am Kamin des Hoyerswerdaer Kunstvereins lautete

„Sitten und Riten des Judentums“ und erinnerte unausgesprochen an den Ausspruch „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ des jüdischen Philosophen Martin Buber.

Referentin Dr. Nora Goldenbogen schenkte den Zuhörern zu den Geschichtsdaten und Erklärungen den Anblick der seit Jahrtausenden bei Gottesdienst und Familienfeiern benutzten Gegenstände.

Den Tisch am Kamin schmückten der achtarmige Chanukka-Leuchter und die siebenarmige Minora, die Gebetsriemen Teffelin und ein schöner Gebetsschal mit seinen knotenreichen Fransen, ein Sederteller ebenso wie die Kippa - das traditionelle Käppchen der Männer. Vorgestellt wurden diese Dinge festlichen Gebrauchs anhand der Feste des jüdischen Kalenders, eingebettet in die jeweiligen Berichte von deren Ursprung.

Der Abend gestaltete sich - trotz aller historischen Bezüge, trotz aller Erinnerungen an Ereignisse im Leben des Volkes Israel, die in den heiligen Büchern der drei monotheistischen Weltreligionen festgehalten sind - zu einem sehr lebensnahen Gespräch. Und dies nicht nur, weil sich Nora Goldenbogen freundlich lächelnd immer wieder „Ausflüge“ zu uns vertrauten Redewendungen machte, um deren Ursprung und tieferes Verständnis aus dem jüdischen Volksleben aufzuhellen: Das ewige Licht in den katholischen Kirchen oder Berichte in den Suren des Koran stammen aus der jüdischen Tradition, auch vertraute Redensarten wie „jemand die Lewiten lesen“, oder „es zieht wie Hechtsuppe“, oder „seine Hände in Unschuld waschen“ haben ihren Ursprung in jüdischem Kultus und in Historie. Uns verbindet mehr als wir wissen, und da Sprache auch Denken ausdrückt, sind wir unseren jüdischen Mitbürgern näher als wir oft wissen.

„Erkenne dich selbst“, wäre ein angemessener Spruch, um den anschließenden Dialog zu beschreiben, um die Verflechtungen - im Guten wie im Bösen - zu sehen und daraus für das eigne zukünftige Verhalten Lehren zu ziehen. Wichtiger ist der Dialog und das Wissen um den anderen. Um mit einem Wort von Martin Buber, dem jüdischen Kulturphilosophen zu sprechen: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Dieser Satz bewies an diesem Abend einmal mehr seine Wahrheit und seine Tragfähigkeit. Ob es um die Frage nach der Stellung der Frauen im jüdischen Kultus ging, um die Aufgaben der Rabbiner und deren Ausbildung, oder darum, ob es eine „Hierarchie“ und eine verbindliche Lehrmeinung im Judentum gäbe, alles wurde fröhlich, verständlich und freundlich erläutert. Da staunte mancher, dass im Judentum sehr unterschiedliche Ansichten nicht nur privat nebeneinander bestehen, sondern sich durchaus auch eigene Gemeinden bilden und eigene Gottesdienstformen entwickeln. Drei Jahrtausende alte Traditionen und das Leben in völlig verschiedenen Völkern prägten das Leben in den Gemeinden. Wir verdanken dem Judentum viele Einflüsse in unserer Kultur. Sie wäre ohne diese nicht die heutige europäische – das machte dieses Gespräch am Kamin deutlich. (MS)

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