Ein Gespräch mit Dr. Margrid Bircken, Potsdam

Jetzt schloss die erfolgreiche Brigitte-Reimann-Ausstellung des Hoyerswerdaer Kunstvereins ihre Pforten. Nicht zuletzt dieser Exposition halber entschied die Brigitte-Reimann-Gesellschaft, ihre nächste Tagung in Hoyerswerda auszurichten. Wir sprachen mit Dr. Margrid Bircken, Präsidentin der Reimann-Gesellschaft (Potsdam).

Frau Dr. Bircken – welchen Eindruck gewannen Sie von der Ausstellung? Diese Sicht auf Brigitte Reimann beeindruckte uns sehr stark. Man spürte bei der Ausstellung als Ganzer wie bei allen Einzeldarstellungen das persönliche Engagement; ja, ich möchte sagen, die Zuneigung zu der Frau und eine profunde Kenntnis ihres Lebens, ihrer Werke bis hin zu den jüngst erschienenen Briefbänden. Da sie in dem Hauptraum nur selbst zu Wort kam, hatten wir ständig den Eindruck, ihr persönlich gegenüber zu stehen, mit ihr im Gespräch zu sein. Entsprechend dieser Konzeption, die streng durchgehalten wurde, störte kein pädagogischer Zeigefinger, keine Meinung oder Interpretation, über die man gewiss streiten könnte. Wir sind einfach begeistert.

Sie gestalteten in Potsdam ebenfalls eine Ausstellung, die zum 30. Todestag im Februar eröffnet wurde. Welche Unterschiede sehen Sie zu der Hoyerswerdaer Sicht auf die Autorin? Unsere Ausstellung schufen wir mit Studenten gemeinsam während des Studiums. Dadurch entstand etwas ganz anderes als hier in Hoyerswerda, das nicht einfach mit „besser“ oder „schlechter“ abgetan werden kann. Unsere Konzeption ist einfach didaktischer, sie folgt germanistischen Ansätzen und Themen und enthält verständlicherweise auch Fragen, die junge Leute heute stellen, die in einer ganz anderen Zeit leben als die Autorin. Dadurch hat sie natürlich nicht eine so spürbare Nähe zu der Schriftstellerin, wenn auch einzelne Zitate zeigen, dass die Gestalter beider Orte auf ähnliche Äußerungen Bezug nehmen. Die persönliche Handschrift und die Interessen der jeweiligen Partner lassen sich doch auch dabei nicht leugnen. All diese Faktoren machen aber auch den Reiz der beiden Ausstellungen aus. Ich wünschte sehr, dass meine Studenten diese Hoyerswerdaer Präsentation sehen könnten. Beide Ausstellungen ergänzen sich wunderbar, obwohl auch jede für sich eine eigene, sehr interessante Aussage vermittelt.

Halten Sie die Hoyerswerdaer Ausstellung mehr für historisch – oder welche Aspekte teilten sich Ihnen für heute mit? Die Ausstellung war für uns keinesfalls „nostalgisch“ oder eine Sicht auf eine Person einer fernen Zeit. Wir spürten sehr deutlich, Brigitte Reimann hatte Visionen. Gerade das fesselt uns – wie auch die anderen Besucher, die sich in das Gästebuch eintrugen. Sie glaubte, dass eine menschliche Gesellschaft geschaffen, ja vielleicht dafür auch Städte gebaut werden könnten. Das hat nichts mit einer DDR-Nostalgie zu tun, sondern einfach mit Visionen, die jeder schöpferische Mensch benötigt. Die DDR war nur die geschichtliche Zeit, in der sie lebte, wobei man sehen muss, dass nach 1968 ihre Hoffnung auf die DDR als eine Gesellschaft, in der ihre Visionen verwirklicht werden können, nicht mehr bestand. Sie war für sie zerbrochen. Jedoch nicht ihre Vision und der Glaube, dass jene irgendwann einmal doch Realität werden könnte...Wir erleben heute bei unseren Studenten, dass sie sehr nach solchen Ideen und nach Personen, die sie vertreten, suchen. Leider finden sie diese kaum. Die Studenten, die sich zuerst meldeten, kannten Brigitte Reimann kaum oder gar nicht, dann begannen sie, ihre Bücher zu lesen. Von dem Zeitpunkt ab waren sie gefesselt, weil ihnen in der Autorin ein Mensch begegnete, der Visionen hatte und diese verteidigte und lebte. Für diese jungen Menschen spielt die DDR wirklich keine Rolle mehr. Das macht wohl einen großen Teil der Faszination dieser Ausstellung aus.

Könnten Sie sich eine Zusammenarbeit der Brigitte Reimann-Gesellschaft und des Kunstvereins Hoyerswerda vorstellen? Ja, eine solche Zusammenarbeit wäre sehr gut, zumal hier Materialien bekannt gemacht werden, die bisher nicht bekannt waren und doch wesentliche neue Seiten zu einigen Epochen des Schaffens ausmachen. Wir dürfen nicht vergessen: Die Jahre in Hoyerswerda waren die wichtigsten im Leben Brigitte Reimanns! Ihre bedeutendsten Bücher entstanden hier und sind ohne diese Stadt und deren Geschichte nicht zu denken. Das kommt in der Ausstellung sehr gut zum Ausdruck. Außerdem erhält die Rezeptionsgeschichte neue Aspekte. Ich stelle mir vor, dass meine Studenten hierher kommen, um die Materialien zu bearbeiten, die sie nur hier erhalten können. Außerdem könnte die Brigitte Reimann-Gesellschaft eine ihrer jährlichen wissenschaftlichen Tagungen in Hoyerswerda durchführen. Dabei benötigen wir natürlich die Hilfe, den Rat und wohl auch die Mitwirkung der hiesigen Brigitte-Reimann-Kenner und Freunde vom Kunstverein. Sie haben hier den Vorteil, dass sie die Autorin gut kannten und - wie die Ausstellung eindrücklich zeigt - ihr auch sehr zugeneigt waren. Ich freue mich auf das weitere Miteinander.

Fragen: Uwe Jordan/
Interviewer: Martin Schmidt

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