Ich suchte, der Natur und den Elementen nahe zu sein- Ernst Barlach (1870 – 1938)

Ein Vortrag von Erich Busse

Gespräche zum Vortrag "Ernst Barlach" beim Hoyerswerdaer Kunstverein mit Erich Busse.Ernst Barlach gehört zu den Künstlern, deren Werk eine unverwechselbare Handschrift trägt, die Handschrift eines Wissenden um das Leben, um die Leiden und Freuden des Alltags. Barlach arbeitete vorwiegend als Bildhauer und Grafiker, hinterlässt aber auch als Schriftsteller ein umfangreiches Werk.
In Wedel, in Schleswig-Holstein, wurde Barlach 1870 als Sohn eines Arztes geboren. Schon als Vorschulkind begleitete er den Vater bei Hausbesuchen, sah genau hin und litt mit den Kranken. Er fertigte Zeichnungen von den Patienten an, die der Vater dann in seiner Praxis ausstellte. So war es nie eine Frage, dass er irgendwann Kunst studieren würde. Das tat er an der Kunstgewerbeschule in Hamburg und an der Kunstakademie in Dresden, hier arbeitete als Meisterschüler von Robert Diez, dessen Brunnen in Dresden noch heute zu bewundern sind, Gänsediebbrunnen und ein beeindruckender Brunnen am Albertplatz.
1895 erlebt Barlach in Paris die vielfältige Kunstszene, schreibt aber vorwiegend, Dramen, Erzählungen und Briefe, kehrt zurück nach Wedel und lebt von Entwürfen, die er für die Töpferei Mutz entwirft, kurzzeitig arbeitet er auch als Lehrer.
1906 besucht er seinen Bruder in der Ukraine, die Eindrücke von der Armut der Bevölkerung werden sein Leben und sein künstlerisches Schaffen verändern.
Nach seinen Entwürfen fertigt nun die Töpferei Mutz für ihn Terrakotten: „Russiche Bettlerin mit Schale“ und „Blinder russischer Bettler“, die in der Berliner Secession ausgestellt werden. Sein Name wird bekannt und Paul Cassirer wird für ihn der „lebenserhaltende“ Kunsthändler und Verleger, der ihm ein festes Gehalt zahlt und seine Kunst verkauft.
Barlachs Lebensmittelpunkt wird Güstrow. Hier entsteht eine fast unüberschaubare Anzahl von Kunstwerken.
Waren an seiner Abschlussarbeit an der Dresdener Akademie zwar schon die typischen Barlachschen harmonischen Bewegungen an der „Krautpflückerin“ zu sehen, wird mit den Bettlern noch ein weiteres Merkmal typisch, die Reduktion auf ganz wenige Details, an Körper und Gesicht. Eine beinahe meditative Suggestion zieht den Betrachter an. Obwohl die Figuren schweigen, hört man das Leid „klagen“. Beispiele hierfür sind auch: „Der Flüchtling“, „Frierende Alte“ und das „Das Magdeburger Mahnmal“. Bei diesem Mahnmal wird die Klage unmissverständlich zur Anklage.
Er gestaltet aber auch ganz ruhige Momente, wie „Russisches Liebespaar“, „Die lesenden Mönche“, „Der singende Mann“, „Buchleser“ und andere, innig und in sich ruhend.
Barlachs bekanntestes Werk aber ist der „Schwebende Engel“ von 1927 im Dom zu Güstrow. Er weist zudem auch die spektakulärste Werkgeschichte auf - als „entartete Kunst“ wird er aus dem Dom entfernt und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Anhand der Gussformen erfolgt ein heimlicher Nachguss, der versteckt und nach dem Krieg im Kölner Dom aufgestellt wird. Die Gussform fiel dem Krieg zum Opfer. Der "Kölner Engel“ diente nun wiederum als Vorlage für zwei weitere Kopien, eine davon kam zurück nach Güstrow, die andere in das Landesmuseum Schleswig.
Wenn man Erich Busse folgt, sollte sich jeder mit eigenem Gefühl und Verstand den Kunstwerken nähern. "Der Schwebende“, oder auch „Schwebender Engel“, lässt dafür viel Raum. Als erstes fällt die geschlossene Form der Figur auf, sie schwebt, die Kleidung liegt eng am Körper an, die Arme liegen gekreuzt über der Brust und der Kopf ist fast nur eine Verlängerung des Körpers. Sieht man ins Gesicht, begreift man die völlige Abgeschlossenheit von der Außenwelt, ist es der Mensch in seiner Trauer, in Anlehnung an Käthe Kollwitz, oder ist es ein Engel, der uns umarmt, der uns nicht nur gegen die Außenwelt schützt, sondern auch vor uns selbstt? Vermitteln die geschlossenen und zugleich wissenden Augen, die umarmenden Hände, endloses Vertrauen?
Ein nachdenklich machender Vortrag von Erich Busse zu Ernst Barlach und ein Hinweis, auch seine Bücher und Briefe zu lesen, es lohnt sich.
Ebenso lohnt es sich, die Sonderausstellung zum 150. Geburtstag Barlachs im Dresdener Albertinum zu besuchen, sie läuft noch bis zum 10.01.2021.

 

 

 

 

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