Erich Maria Remarque „Der schwarze Obelisk“

Es liest Uwe Jordan

Uwe Jordan liest aus "Der schwarze Obelisk" von Erich Maria RemarqueBekannt geworden ist Erich Maria Remarque (1898-1970) durch seinen Roman „Im Westen nichts Neues“, der die Gräuel des 1. Weltkriegs in den Schützengräben Frankreichs schildert, ein Roman, der die Welt aufhorchen ließ, im Erscheinungsjahr 1929.
Ein weiterer Roman, „Der Schwarze Obelisk“, erfasst die Zeit danach, die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, die Zeit der Weimarer Republik, die Inflation und den Beginn des Nationalsozialismus, der eine schleichende Auflösung der Weimarer Republik zur Folge hat.
Wie sich die Zeiten gleichen! Dem Buch „Der schwarze Obelisk“ stellte Remarque zu seinem Erscheinen im Jahr 1956 ein Vorwort voran, das damals galt und heute wieder erschreckend aktuell erscheint:
„Die Welt liegt wieder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten, durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den gesamten Erdball sprengen kann… Man hatte an so verdächtige Dinge geglaubt, wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz und daran, dass ein Weltkrieg Belehrung genug sein müsse für eine Generation.“ Aus der Sicht nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1956, eine bittere Wahrheit.
Remarque hat ein feines Gespür für die Veränderungen im Denken und Fühlen einer Gesellschaft und er verfügt über eine erstaunliche Fantasie zur Einbettung von Einzelschicksalen in eine Fabel. Wie er eine ganze Geschichte „Menschheit“ um einen schwarzen Obelisken herum gruppiert, ist kaum zu überbieten. Dieser schwarze Obelisk steht als Ladenhüter im Hof der Grabdenkmalsfirma Kroll und Söhne, in der der Ich-Erzähler im Jahr 1923 als Werbechef und Mädchen für Alles arbeitet. Sein Name ist Ludwig Bodmer. Es herrscht Inflation, „Arm und Reich“ wird von unten nach oben und umgekehrt neu gemischt. Das Geschäft mit den Grabmalen läuft mehr recht als schlecht, als Synonym dafür benutzt Remarque den schwarzen Obelisken aus schwedischem Granit, der schon vor dem 1. Weltkrieg als schwer verkäuflich galt. Der einzige Zweck scheint zu sein, dass der Obelisk von Hunden als Reviermarkierung benutzt wird und dass der ausgediente Feldwebel Knopf ihn nach seinen Kneipengängen ebenfalls zweckentfremdet. Seine Frau und seine drei Töchter „hat er unter der Fuchtel, wie eben ein Feldwebel seine Rekruten“, sie müssen sich ihren Lebensunterhalt mit Näharbeiten verdienen, seine Pension verwendet er ausschließlich für sich, für Schnaps. In seiner Vorstellung herrscht auch im Frieden Krieg und er hat etwas zu befehlen. Neben dem Feldwebel leben noch andere groteske Familien und Personen in der Nähe der Firma Kroll, als da sind ein „philosophischer“ Sargtischler, ein Pferdemetzger nebst seiner ansehnlichen Frau Lisa, die im Überfluss mit weiblichen Rundungen ausgestattet ist, ein Freund, der am Inflationsgeschäft gewinnt und verliert. Es gibt eine Kneipe mit einem geschäftstüchtigen Wirt, bei dem weitere skurrile Gäste verkehren. Der derzeitige Chef der Grabdenkmalsfirma ist Georg Kroll, mit dem Ludwig Bodmer freundschaftlich verkehrt, weniger freundlich aber mit dessen Bruder Heinrich, der aus dem Krieg nichts gelernt hat und neuerliche militärische Aufmärsche der Nationalsozialisten begrüßt.
Uwe Jordan wählte für seine Lesung charakteristische Texte aus, die vom Humor und Sarkasmus des Autors zeugen. Einer davon ist die Einweihung eines Kriegerdenkmals, das die Firma Kroll für das Dorf Wüstringen geliefert hat. Die Pfarrer beider Bekenntnisse, der katholische und der protestantische, beten für ihre Gefallenen. Unter den Toten sind aber auch zwei Juden. Zusammen mit dem Major a.D. Wolkenstein wollten beide Pfarrer verhindern, dass die Namen der Juden ebenfalls auf der Gedenktafel eingraviert werden. Denn der Vorsitzende des Kriegervereins, Major a.D. Wolkenstein, ist der Ansicht, dass nur durch die Juden der Krieg verloren wurde. Der Gemeindevorsteher hatte sich durchgesetzt und die Namen ebenfalls auf die Tafel setzen lassen, denn er wollte, dass auch sein Sohn hier einen Platz fände unter den Helden, der zwar nie im „Felde“ war, aber an Grippe in einem Reservelazarett starb. So sarkastisch wie begonnen, geht die Geschichte weiter, Wolkenstein erscheint in seiner Uniform aus der Kaiserzeit und lässt den gesamten Ort mit der Flagge des Kaiserreichs schwarzweißrot behängen, obwohl die offizielle Flagge der Weimarer Republik die Farbe schwarzrotgold trägt. Der einzige, der mit dieser Flagge sein Haus ziert, wird brutal zu Tode geprügelt, denn er ist im Sinne Wolkensteins ein Verräter.
Abenteuerlich läuft dann auch die vereinbarte Barbezahlung ab, denn jeder Tag später ist für die Firma Kroll ein Verlust und für den Gemeindevorsteher ein Gewinn.
Am menschlichsten behandelt Remarque die Frauen aus dem Rotlichtmilieu, sie standen Ludwig Bodmer bei, als er als Kind bei ihnen Schularbeiten machte und sie stehen einander bei. Ähnlich verehrt er Isabell aus der Irrenanstalt, wo er Orgel für die Kranken spielt und dafür ein warmes Essen bekommt. Isabell erklärt ihm die Welt klarer und emotionaler als zeitgenössische Philosophen es tun..
Eine tief humanistische Fabel, die einem jeden von uns einen Spiegel vorhält, zum Betrachten und Nachdenken.

 

 

 

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