Rudolf Renner stellt Tizian und sein Meisterwerk vor: „Der Zinsgroschen“, zu sehen in Dresden, in der Gemäldegalerie alter Meister.

Rudolf Renner benutzt seine Manuskripte nur zum Zeigen, seinen Vortrag hält er in einem erfrischenden Dialog mit den Zuhörern

Bilder lassen sich durch Sprache allein nicht erklären. Besonders die Maler des Mittelalters und der Renaissance haben Bilder gefertigt, die zur Zwiesprache regelrecht auffordern und ein intensives, ganz individuelles Betrachten geradezu abverlangen.
Weil jeder Mensch einmalig ist, so wird auch jeder eine ganz persönliche Sinngebung in dem Gesehenen entdecken. Aus diesem Grund gibt Rudolf Renner in seiner Bildbetrachtung nur wenige Anstöße, Hinweise zur Person des Malers, der eigentlich Tiziano Vecellio heißt und zwischen etwa 1480 und 1576 in Venedig lebte, Hinweise zum geschichtlichen Hintergrund des Geschehens und erläutert sehr sparsam die Anordnung der Figuren, ihre Gesten und Gewänder. Der Zinsgroschen von Tizian
Dargestellt in dem „Zinsgroschen“ ist eine Erzählung aus dem Neuen Testament; Jesus geht durch die Lande und verkündet eine Lehre, die weder den frommen Juden noch den römischen Machthabern gefällt. So sind beide interessiert, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Deshalb wir ein Grund gesucht, ihn anzuklagen. „Da du nur das Ansehen Gottes achtest und nicht das Ansehen des Menschen, so sage uns, ist es recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt?“, lautet die Frage an ihn. Jesus wird überlegt haben, sage ich ja, habe ich die Juden gegen mich, sage ich nein, stelle ich mich gegen den Kaiser. Diese Anspannung des Nachdenkens ist dem Gesicht abzulesen, bevor er antwortet: „Zeigt mir die Steuermünze“, und sie reichen ihm eine Münze mit dem Abbild des Kaisers Tiberius und seiner Römische Münze mit den Bildern von Tiberius und LiviaMutter Livia. Genau diesen Moment hat Tizian festgehalten, die Münze ist in der Hand des Fragenden. Jesus wir diese nicht berühren, da das Gesetz einem Juden vorschreibt, kein Geld bei sich zu tragen und kein Bildnis zu besitzen. Und er antwortet, ohne Verachtung, ohne Feindseligkeit: „Also gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, mit einem Ausdruck, in dem die Gewissheit mitschwingt, der andere ist Gott ebenso wichtig wie ich, auch, wenn er mich in eine Falle locken will.
Die Verteilung von Licht und Schatten, die meisterhafte Malkunst, die kostbare Farbe der Gewänder des Jesus in rot und blau, die Gestik der Hände und der wissende Blick der Augen offenbaren die tiefen Kenntnisse Tizians um die Geschichten der Bibel im Jahr 1514. Geschichten, die 1500 Jahre zurück liegen und weiter erzählt bis in unsere Tage nichts an Aktualität verloren haben.

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