Dr. Wolfgang Wessig, Görlitz, stellt den Schriftsteller Sammy Gronemann (1875- 1952) vor.

Dr. Wessig

Man fragt sich immer wieder: Warum setzt das Erinnern so spät ein? Warum werden so viele Schicksale der Betroffenen des Holocaust erst jetzt bekannt? Dr. Wessig erinnert seit geraumer Zeit an vergessene Autoren, die entweder in den Konzentrationslagern umgekommen sind, oder emigrierten. Und es erstaunt immer wieder aufs Neue, wie viele es waren und welches geistige Potential vernichtet wurde. Einer von diesen „Unerwünschten“ in Deutschland war Sammy Gronemann , geboren 1875 in Westpreußen, aufgewachsen in Hannover, als Jurist in Berlin niedergelassen und 1933 über Paris nach Palästina emigriert. Er starb 1952 in Tel Aviv.
Sein bekanntester Roman, ein Bestseller aus dem Jahr 1920 heißt bezeichnenderweise „Tohuwabohu“, was aus dem Hebräischen kommt und so viel wie finster und leer bedeutet, in unserem heutigen Sprachgebrauch aber eher als Chaos und Durcheinander definiert ist. Bei Sammy Gronemann kann man beim Lesen eher ein „geregeltes Chaos“ erkennen, denn die Beschreibung der Vielfalt des jüdischen Lebens in Europa geschieht immer mit viel Esprit und Humor, in einer bildhaften lebendigen Sprache. Geschildert wird das Zusammenleben von Christen und Juden in Westpreußen und in Berlin, geprägt von Verbindendem und von Gegensätzlichem, von Anpassung an die europäische Kultur und von enger Bindung an das Judentum.

Sammy GronemannGronemann erzählt, wie ein jüdisches Mädchen und ein jüdischer junger Mann Goethes „Faust“ lesen und nach dem Wie und Warum so fragen, wie sie es im Talmud, dem jüdischen Gelehrtenbuch, gewohnt sind. So entsteht eine sehr spannende erweiterte Sicht auf dieses große Werk der Klassik. Man fragt sich fast, warum wir nicht in der Lage sind, Bücher so intensiv zu lesen und solche vielschichtigen Betrachtungen anzustellen. Die christlichen Nachbarn dieser beiden allerdings sind der Meinung, dass junge Leute normalerweise Besseres zu tun wüssten, als den „Faust“ zu lesen.

Hanni Mittelmann, Dozentin an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist den Spuren dieses vergessenen Autors nachgegangen und hat ein Buch über sein Leben und seine literarisches Erbe veröffentlicht, was eine späte , aber nicht zu späte Würdigung bekundet.

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