Victor Klemperer 1881-1960

vorgestellt von Silvia Lohr

009008Victor Klemperer ist in Landsberg an der Warthe, dem heutigen Gorzów Wielkopolski, geboren. Klemperers Vater war zuerst in Landsberg und später in Berlin Rabbiner einer jüdischen Gemeinde. Nach dem Abitur studierte Victor Romanistik und Germanistik in München, Genf, Paris und Berlin, allerdings ohne Examen. 1906 heiratete er die Konzertpianistin, Malerin und Übersetzerin, Eva Schlemmer. Dafür tritt er zum Protestantismus über, arbeitet als freier Publizist, holt Promotion und Habilitation bis 1914 nach und wird Lektor an der Universität in Neapel. In blinder Verkennung der Auswirkungen eines Krieges meldet er sich 1915 als Freiwilliger und kann überleben. 1920 wird er als Professor für Romanistik an die Technische Hochschule Dresden berufen. Seine jüdische Abstammung wird ihm bald zum Verhängnis. Mit Inkrafttreten der Reichsbürgergesetze erfolgt 1935 die Versetzung in den Ruhestand, höchstpersönlich durch Martin Mutschmann. Der Ruhestand sichert ihm dennoch ein kleines Einkommen. Aus seinem Haus in Dresden-Dölzschen muss er 1940 mit seiner Frau Eva ausziehen, von da an lebten sie in sogenannten Judenhäusern. Eva Schlemmer stellte ihr Leben komplett in den Dienst ihres Mannes, sie hielt selbstlos zu ihm, obwohl sie Nichtjüdin ist und trägt den Judenstern. Die Deportation von Familie Klemperer war auf 16. Februar 1945 festgesetzt. Doch die Bombennacht vom 13. Februar 1945 rettete ihnen förmlich das Leben, das Ehepaar hatte sich im Bombenhagel verloren und später, nur leicht verletzt, wieder gefunden, sie rissen sich die Judensterne von der Kleidung und flüchteten in die Oberlausitz, dann durch ganz Sachsen bis nach Bayern. Das liest man später bei Victor Klemperer so: … die Bomben fielen, die Häuser stürzten, der Phosphor strömte, die brennenden Balken krachten auf arische und nichtarische Köpfe … wen aber von den „Judensternträgern“ diese Nacht verschonte, der konnte im allgemeinen Chaos der Gestapo entkommen. Die Tagebücher aus dieser Zeit geben die Nacht vom 13. Februar 1945 in Dresden in allen Details wieder. 
Klemperers kommen im Juni 1945 nach Dresden zurück, sie können wieder in ihr Haus einziehen. Victor Klemper wird erneut Professor an der TU Dresden. Er engagiert sich beim Aufbau der DDR, wird Direktor der Volkshochschule Dresden, und lehrt auch an weiteren Universitäten, in Greifswald, Halle-Wittenberg und an der Humboldtuniversität Berlin. Er wird 1950 Abgeordneter des Kulturbundes in der Volkskammer der DDR und bleibt das bis 1958.
Eva Klemperer stirbt 1951, das bringt Victor Klemperer an seine privaten Grenzen. 1952 heiratet er Hadwig Kirchner, eine Germanistin und ehemalige Studentin aus Halle. Um sie heiraten zu können, konvertiert er nunmehr zum katholischen Glauben. Mir Hadwig verlebt er bis zu seinem Tod im Jahr 1960 noch einige glückliche und schöpferische Jahre, immer in dem Bewusstsein, diese junge Frau nicht zu verdienen.
Silvia Lohr erzählt das Leben von Victor Klemperer nicht chronologisch, sondern anhand von Textstellen seiner ausführlichen Tagebücher, die er in drei wichtigen Epochen schreibt: von 1918 bis 1932, von 1932 bis 1945 und von 1945 bis 1959. Den Nachlass ihres Mannes veröffentlicht Hadwig Klemperer mit viel Sachverstand und Liebe, gemeinsam mit Walter Nowojski. So können heute alle Schriften Victor Klemperers lückenlos gelesen werden. Der kritische und unverstellte Blick eines großen Literaten gibt der Zeit der Weltkriege, dem Nationalsozialismus und den ersten Jahre der DDR glaubhafte Authentizität.
Dem Buch: „LTI -Buch eines Philologen“ von Klemperer misst Silvia Lohr einen besonderen Stellenwert ein, da sich vordergründig in der Sprache des Dritten Reich, der Lingua Tertii Imperii, der Charakter des Faschismus spiegelt. "Wenn permanent von Heldentum, von heroisch oder heldenhaft die Rede ist, ist es zum Terror nicht weit." Für Klemperer trifft der Begriff heldenhaft eher auf seine Frau Eva zu: „Aber ich weiß von einem noch viel trostloseren, noch viel stilleren Heldentum, von einem Heroismus, dem jede Stütze der Gemeinsamkeit mit einem Heer oder einer politischen Gruppe, dem jede Hoffnung auf künftigen Glanz durchaus abging, der ganz und gar auf sich allein gestellt war: Das waren die paar arischen Ehefrauen […], die jedem Druck, sich von ihren jüdischen Ehemännern zu trennen, standgehalten hatten.“
Die Tagebücher der 50 er Jahre enthalten viele kritische Anmerkungen über den Staat DDR und dessen Führung, aber die Bundesrepublik unter Adenauer war keine Alternative für Klemperer: „Und so sitze ich denn zwischen allen Stühlen“ ist sein Fazit aus dieser Zeit.
Ende 1959 erkrankt Victor Klemperer schwer und stirbt am 11. Februar in Dresden, sein Grab und das seiner ersten Frau Eva befinden sich auf dem Friedhof in Dresden-Dölzschen.
2010 stirbt Hadwig Klemperer in Dresden und wird auf dem Alten Katholischen Friedhof beigesetzt,
Silvia Lohr mahnt im Hinblick auf die unruhigen Verhältnisse unserer heutigen Zeit das „Nie wieder“ für Judenverfolgung und Krieg an, das Leben Victor Klemperers ist Mahnung genug.

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