Inés Burdow gab zwei Vorstellungen ihrer „Unvollendeten“ nach Brigitte Reimann in der Lausitzhalle Hoyerswerda.

Inés Burdow

Klingt das da aus den Lautsprechern traurig, morbide, höhnisch gar? In die Melodie mischt sich das Knarzen einer Tür. Eine Frau durchschreitet den dunklen Zuschauerraum; betont langsam. Baut Sekunde um Sekunde Gegenwärtigkeit auf. Umrundet ebenso gemessen einmal die Bühne, bleibt in der hintersten, dunkelsten Ecke stehen. Plötzlich ein grelles Schlaglicht auf die fast noch mädchenhafte Gestalt in weißer Bluse und schwarzen Hosen. Als das Gesicht in den Scheinwerferkegel gerät, glaubt mancher der gut 75Zuschauer im Forum der Lausitzhalle an ein Déjà vu: Das ist doch keine Schauspielerin – das ist doch Brigitte Reimann selbst!
Aufs Gelungenste verwoben
Aber diese optische Deckungsgleichheit wird ganz rasch zu einer inhaltlichen, menschlichen. Annähern wollen habe sie sich der Schriftstellerin und Frau Brigitte Reimann, beschreibt die Potsdamer Autorin und Darstellerin Inés Burdow ihr Stück „Die Unvollendete“. Aber es ist weit mehr. Die (wie sich im Nachhinein herausstellt, wenigen) hochprägnant gewählten Reimann-Zitate verweben so mit den von Inés Burdow geschriebenen Sätzen, dass selbst gestandene Kenner sich schwer tun: Was denn stammt nun aus den Reimann-Tagebüchern und -Briefen, aus dem Roman „Franziska Linkerhand“ – und was ist von Inés Burdow „nur“ hinzuempfunden worden?
Parabelhafte Parallelen
Inés Burdow bringt mit ihrem fast einstündigen Monolog der Brigitte Reimann, einem kurz vor ihrem Krebs-Tod 1973 in Abwesenheit geführten Gespräch mit dem Geliebten Ben(jamin), ebenjene Brigitte Reimann auf den Punkt; zeigt eine in und an sich zerrissene Frau, in der das An-die-Sache-glauben-Wollen und der Zweifel angesichts des Wahrgenommenen genauso miteinander ringen wie Lebenslust und fast schon Selbsthass; erbarmungslose Selbst-Analyse und immer wieder die (Sehn)Sucht nach Liebe; bitterer Spott und letztlich sogar noch eine Parabel auf die Parallele ihres Lebens mit dem des heute auch verblichenen Landes DDR, von dem sie sich angezogen und abgestoßen gleichermaßen fühlte; das sie zu umarmen und gleichzeitig zu ersticken drohte: „Ich bin das Land. Ich bin jung gestorben ... glatte Haut und verfaulter Körper – ist das nicht zynisch ... Vierzig Jahre ...“
Brigitte Reimann hat zu ihrer Franziska Linkerhand notiert, dieses ihr nächstes Buch wolle sie ohne den Zensor im Kopf schreiben; „und alles wird böse enden“. Das letzte Wort werde lauten: „Adieu!“
Mit „Adieu“ schließt Inés Burdows Stück. Aber kein böses Ende. Eher ein trauriges. Traurig, weil Brigitte Reimann nicht mehr in persona unter uns weilt. Hoffnungsvoll aber, weil sie mit ihren Gedanken so lebendig unter uns weilt wie zur Zeit, als sie die Linkerhand schrieb. Lebendig auch dank der Unvollendeten, also nach Fortschreibung Drängenden. Adieu? Au revoir!

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