Vortrag von Jürgen Israel, Berlin, über Leben und Werk von Christa Wolf (*1929) anlässlich ihres 80. Geburtstages.

Martin Schmidt und Jürgen Israel

"Warum wollen wir uns nicht auf das, was wir nun einmal als Schriftsteller sagen können konzentrieren, in der Hoffnung und Gewissheit, dass nicht nur wir selber, sondern dieser und jener andere noch es brauchen werden?" So ist es bei Christa Wolf in einem Brief an Brigitte Reimann nachzulesen. Und dies lässt sich an den vielen Büchern von Christa Wolf nachvollziehen, die Jürgen Israel in seinem Vortrag sehr einfühlsam und sachkundig vorstellte und kommentierte. Zu sagen hatte Christa Wolf eine Menge über die Dinge, die den Menschen im Innersten bewegen, Emotionen, die Anlass für sein Handeln sind, zum Erfolg führen oder zum Scheitern verurteilt sind.
Meist sind es Frauen, die dem Leben einen Sinn geben wollen, wie Rita Seidel in „Der geteilte Himmel“, die sich zwischen Flucht aus der DDR und Bleiben entscheiden muss, wie Christa T. in „Nachdenken über Christa T.“, die sich an Routine und Abstumpfung nicht gewöhnen will oder wie Kassandra, die die Ohnmacht des Geistes gegenüber den Herrschenden in Frage stellt und das geistig Lebendige bejaht. Alle diese Frauengestalten bleiben ein Leben lang von Zweifeln geplagt, bleiben sensibel und offen und verlangen von sich selbst mehr als von anderen, und sie wissen, dass der Mensch nicht so ist, dass es eine ideale Gesellschaft geben könnte. Mit dieser meist kritischen Haltung zu allen erstarrten gesellschaftlichen Systemen und Konventionen gibt Christa Wolf ihre eigenen Erkenntnisse an ihre literarischen Figuren weiter und wählt einen freien unabhängigen Weg des Erzählens, immer hoffend auf Erkenntnis auch bei den Lesern.

Christa Wolf 1976 in Hoyerswerda

Ihr eigener Lebensweg führte von ihrem Geburtsort in Polen durch Umsiedlung nach Mecklenburg. Sie studierte Germanistik in Jena und Leipzig, war Mitarbeiterin im Schriftstellerverband und Lektorin in verschiedenen Verlagen. Seit 1962 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und wohnt heute in Berlin. Ihre Bücher wurden in Ost und West verlegt, sie hatte Freunde und Kritiker, war in der DDR privilegiert, erfuhr Zustimmung und Ablehnung. Sie sucht nach dem Platz des Einzelnen in der Gesellschaft, unabhängig von gängigen Parolen und gesellschaftlichen Systemen, gestern wie heute. Von den unzähligen Ehrungen, die sie erfuhr ist die höchste Auszeichnung der Büchner- Preis, den sie 1980 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt erhielt.
Ihre Rede am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz wurde legendär, vor allem durch den Satz: „Stellt Euch vor, es ist Sozialismus und keiner geht weg.“
Christa Wolf und ihr Mann Gerhard gehören zu den Persönlichkeiten, die mit dem Kunstverein Hoyerswerda schon seit den sechziger Jahren eng verbunden sind.

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