Mythos Pückler

Christian Friedrich und Volkmar Herold, Lesung zu Fürst Pückler und Paris beim Hoyerswerdaer Kunstverein 2015Christian Friedrich und Volkmar Herold, die Historiker aus Branitz, erforschen die Paris-Reisen des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871).

"Mythos Paris" hatten die Historiker Christian Friedrich und Volkmar Herold ihren Vortrag über die Parisreisen des Fürsten Pückler überschrieben. Doch als Zuhörer der abwechslungsreichen Lesungen beim Hoyerswerdaer Kunstverein mit diesen beiden Historikern kommt man fast zu der Ansicht, dass mit dem Wissen um die vielfältigen Tätigkeiten diese Dichters und Landschaftsgärtners auch die Erkenntnis wächst, dass man nichts über ihn weiß. Seine Person selbst wird zum Mythos. Er ist Dichter und Gärtner, Patriot und Napoleon-Verehrer, Standesherr und wohlwollender Arbeitgeber, exzellenter Gesprächspartner und Enfant terrible, alles immer im richtigen Moment. Keine der unzähligen Biografien wird ihn je ganz erfassen können. 
Im Laufe seines Lebens weilte Pückler neun Mal in Paris. Der Anlass reicht von reinen Bildungsreisen über eine Hochzeitsreise bis hin zu Dienstreisen. Bei allen diesen Unternehmungen beherrscht ihn eine ungeheure Liebe zu Frankreich und vor allem zu Paris, seinem Paris, mon amour. Hier berührt ihn alles, die Architektur, das Theater, das Essen, das er als Gourmet zu würdigen weiß, die Anmut der Frauen in allen Bevölkerungsschichten, die Natürlichkeit und Freiheit der Sitten der Franzosen, die Landschaftsarchitektur und die Dichter. Selbst die Verehrung sowohl für Napoleon I. als auch für Napoleon III. ist ihm ehrliches Bedürfnis, ebenso aber auch seine patriotische Haltung in den Napoleonischen Kriegen gegen Frankreich, für Sachsen oder als Adjutant im Dienst Preußens.
Erstürmung der Bastille, Kupferstich nach einem Gemälde von Jean Pierre Houel, wikipediaAlle diese Wesenszüge zu erforschen, ist nun Aufgabe auch der Historiker aus Branitz, die viele tausend Seiten des Nachlasses von Pückler lesen mussten, um sich ein halbwegs realistisches Bild machen zu können, wie die Reisen von Muskau nach Paris und zurück jeweils verliefen. Wichtig hierbei die Einordnung in die politische Lage der Zeit zwischen 1789 und 1871, als die Französische Revolution die festgefügten Ordnungen in Europa erschüttert hatte, als Napoleon I. wie auch später Napoleon III. sich vom Republikaner zum Kaiser erheben, als Sachsen zerstückelt wird und Muskau nun zu Preußen gehört. Eine Zeit, in der das Bürgertum neue Rechte fordert, Adel und Geistlichkeit aber mit Macht an ihren Rechten festhalten wollen. Die Industrie wird indessen unaufhaltsam zur führenden Macht. 
Zu Pücklers Aufenthalten in Paris sind die schriftlichen Quellen gegenüber den übrigen Reisen, die Pückler in große Teile der Welt unternahm, dürftig. Meist sind Mitteilungen nur in seinem umfangreichen Briefwechsel zu finden. Die Suche deshalb mühsam. 
Die erste Reise unternimmt Pückler als junger Mann von 23 Jahren ähnlich einer Kavalierstour in den Jahre 1808 bis 1810, allerdings hält ihn der Vater wegen seiner leichtlebigen Art kurz und so muss er sich einschränken; seinem Charme und seinem Bildungshunger tut das nur wenig Abbruch. So wird schon dieser erste Besuch zur Euphorie für Paris. Er erlebt die Heirat Napoleons I. mit Marie Luise Fürst Hermann von Pückler-Muskau mit Uniform und Orden, Lithografie nach einer Zeichnung von Franz Krüger, Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitzvon Österreich und den damit verbundenen Prunk. Er erlebt die Stadt Paris in all ihren schillernden Facetten und ist berührt von einem dem Deutschen fremden Esprit, den er über seine Mutter, Clementine von Callenberg, die Halbfranzösin war, geerbt zu haben schien. Das weniger Gute, was ihm in Paris und Frankreich begegnet, blendet er einfach aus. 
Nach dem Tod des Vaters muss er 1811 die Standesherrschaft Muskau übernehmen. In dieser Zeit der Napoleonischen Kriege wurde Muskau zum Durchzugsgebiet für die französische Armee. Pückler war im Zwiespalt zwischen seiner Liebe zu Frankreich und seiner Ablehnung einer Fremdherrschaft. In Bautzen treffen Napoleon und Pückler unvermutet aufeinander. Pückler wird wegen seiner guten Beziehungen zu Preußen als Spion verhaftet und nur durch die Fürsprache eines französischen Generals frei gelassen. Er leistet nun Kriegsdienst gegen Napoleons Armee, erhält mehrere Orden und reist als Adjutant im Stab des Herzogs von Weimar 1814 nach Paris zum Abschluss des ersten Friedensvertrages. Von dort weiter nach England zur Siegesfeier der Alliierten Truppen. Als Sachse hatte er Muskau verlassen, als Preuße kommt er zurück, da seine Standesherrschaft nunmehr zu Schlesien gehört und damit zu Preußen.
Ein nächstes Mal reist er mit seiner Frau Lucie 1818 nach Frankreich und Paris in die Flitterwochen. Obwohl die Ehe eine Vernunftehe war, ist diese Reise für beide eine erfüllte Zeit, beide lieben die französische Kultur, begeistern sich für Landschaftgestaltung und lieben den Luxus.
1829 auf der Rückreise von England, findet man Pückler wieder in Paris, hier wurde unter Herzog von Orleans das Palais Royal gebaut mit einer praktischen räumlichen Verbindung zu "mehreren hundert F... Mädchen" berichtet er Lucie nach Muskau und weiter: „Eine schöne Venus, in Milo erst vor einigen Jahren gefunden... Wie schön ist der vom Gürtel an nackte Körper! Welches Leben, welche Weichheit und reizende Form! Der triumphierende, stolze Anblick des Gesichts ist weiblich wahr und doch auch göttlich.“
1834 endet seine geplante Amerikareise in Paris und Pückler wird vom Bürgerkönig Ludwig Philipp empfangen, der 1848 abdanken muss. 1854 besucht er ein weiteres Mal Paris, dieses Mal den Hof des Kaisers Napoleon III., der lange Gespräche mit ihm führt und ihn am amüsanten Hofleben teilnehmen lässt. Beide teilen zudem die Leidenschaft für Gärten und so wird Pückler zum Berater für die Bois de Boulogne, Lithografie, Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss BranitzGestaltung des Bois de Boulonge, einem der wichtigsten Parks in Paris noch heute. In dieser Zeit trifft er auch Alexandre Duma, den Autor des "Graf von Monte Christo". Duma beschreibt Pückler so: „Wenn man den Prinz Pückler sieht, spürt man eine dieser starken Organisationen, die die Natur oft aus Launenhaftigkeit sich amüsiert, in einen Körper einzusperren, der zu schwach scheint, um sie zu beinhalten. So scheint der Prinz aus Kontrasten zu bestehen... Er sieht viel jünger aus als er ist. Seine Erscheinung ist elegant, seine Hautfarbe ist blaß.“
Auf seiner letzten Reise nach Paris 1862 begleitet ihn seine Nichte, Ida von Seydewitz. Da ist Pückler bereits 77 Jahre alt. Noch immer ist er beeindruckt von allem, was hier neu entstanden ist, so die Kathedrale Notre Dame und weitere Gärten. Mit Stolz zeigt er den Bois de Boulogne. Viele seiner phantastischen Ideen, eigene und ein Leben lang gesammelte vereint er in seiner letzten großen Schöpfung, in Park und Schloss Branitz. Dort stirbt er am 09. Februar 1871.