Von der Entdeckung der Schönheit und von russischen Ikonen
Das Thema „Kunst und Religion im alten Russland (Kiewer Rus)“ erforderte einen Gang durch nahezu tausend Jahre Geschichte Osteuropas, um nicht nur Entwicklungen und Wandlungen auf den beiden Gebieten in jenen Regionen, sondern auch den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kunst Altrusslands mit seine Religion zu erkennen. Zum fünften Mal war der Kölner Slawist, Professor Dr. Bodo Zelinsky, Gast bei Hoyerswerdas Kunstverein. Nach Vorträgen zu dem Maler Marc Chagall, über Illustrationen zu Nikolai Gogols Roman „Die toten Seelen“ und über die „unergründliche russische Seele“, widmete er sich nun der mehr als tausend Jahre umfassenden Geschichte von Kunst und Religion in Russland. bzw. deren Anfängen. Seit dem 9. Jahrhundert vollzog sich das Vereinigen einer großen Anzahl Einzelner Fürstentümer zu einem staatlichen Gebilde, das die Kiewer Rus und später das russische Zaren-Reich war. Vorbild bildete das byzantinische oder oströmische Reich mit seiner Hauptstandt Konstantinopel. Damit wurde von Anfang folgten die Herrschenden dem Ziel – wie in Byzanz – eine unmittelbare Verbindung von Religion, deren Organisationsform mit den Herrschaftsformen in Russland (Kiewer Rus) zu gestalten. Ihre Bedeutung dieser Lösung kann aus heutiger westlich- rationaler Denkweise und Welt-Sicht kaum ermessen werden, muss dennoch berücksichtigt werden, wie der Vortrag deutlich machte. Diese Entwicklung begann mit der Taufe der Fürstin Olga von Kiew (Regentin der Kiewer Rus von 945 -960) im Jahre 955 in Konstantinopel. Die Christianisierung wurde von deren Enkel Großfürst Wladimir (960 – 1015) im Jahr 987/8 fortgesetzt. Beide wurden später „apostelgleiche Heilige“ verehrt. Beides geschah noch byzantinischem Ritus. Die Herrscher hatten vorher Kunde eingeholt, welche Religionsform – Judentum,
Islam oder byzantinisch-orthodoxes Christentum - als einigendes Band für den sich bildenden Staat die beste sei: Das Judentum schied aus, da es kein Zentrum mehr hatte, seit die Juden in der damals bekannten Welt zerstreut waren. Gegen den Islam, der erst drei Jahrhunderte vorher entstanden war, sprach dessen Alkoholverbot für Gläubige, das die Herrscher in Russland nicht für durchsetzbar hielten. Bei der byzantinisch-orthodoxen Kirche faszinierte die Beobachter nicht nur die Größe und Pracht der Kirchbauten, sondern auch die Liturgie des Gottesdienstes. Dessen Gestaltung, berichteten die Boten, beeindruckte sie die Atmosphäre, das geistige Klima so stark, dass sie sich „wie im Himmel“ fühlten. Die Taufe der beiden Fürsten eröffnete die Ausbreitung der orthodoxen Kirche östlicher Prägung, aus der später die russisch-orthodoxe Kirche hervorging. Die russischen Großfürsten und Zaren waren seither die Schirmherren dieser Kirche, über denen in der geistigen Leitung der Metropolit stand. Der erste Metropolit Hilarion wurde 1051 geweiht. Die Größe und der Schmuck der Kirchen gilt seither als ein Maß für die Bedeutung einer Stadt, Dazu zählt auch die Gestaltung der Ikonostase im Innern der Kirche, mit ihren Bildern von Heiligen. Sie trennt den heiligen Bezirk von dem Raum der Gläubigen. Die Bilder sind Teil der Kirche und werden wie diese verehrt. Die russisch-orthodoxe Kirche kennt keine Bilderverehrung. Die Bilder sind Teil der Kirche und werden wie diese verehrt. Dir russisch-orthodoxe Kirche kennt keine Bilderverehrung. Nachdem 787 das Bilderverbot der Urkirche aufgehoben wurde mit der Begründung Jesus Christus sei auch ein Mensch gewesen, begannen vor allem Mönche in Klöstern mit dem Malen von Heiligenbildern. Es entstanden die Ikonen. Dabei folgten sie strengen Vorschriften zu den Haltungen – kein Heiliger durfte verdeckt werden – zu den Darstellungen, Würde , Erhabenheit und Konzentration sollte das Unsichtbare sichtbar machen, wie Fachleute sagen. Es herrscht die “innere Darstellung“, die Botschaft kommt dem Betrachter entgegen, er muß nicht aus dem Bild lesen, das Bild und dessen Botschaft kommen auf ihn zu. Die Bilder hätten mit ihrer Intensität nicht nur das Sehen geschult, es brachte ein neues Schönheitsempfinden in die verschiedensten Kreise der Gesellschaft. Eine Kultur des Sehens, der Sprache, das menschliche Sein muss nicht erdacht, es muss gelebt werden. Das Leben der Mönche lehrt das Versenken in die Bitschaft der Heiligen. Der Heilige wurde zum Repräsentanten der göttlichen Gegenwart, sagen die Mystiker der russisch-orthodoxen Kirche. Seit dem Tatareneinfall haben die Wandermönche als Helfer und Retter gewirkt. Mit ihnen entstand die Heiligenliteratur, ob diese im 20. Jahrhundert nicht in anderer Form wiederkehrte, möchte man fragen. An diesem Abend wurde ein riesiges Feld für das Denken eröffnet. Viel Anregungen zu Gesprächen, viel Stoff zum Suchen nach neuen Erkenntnissen wurde mitgegeben.“Eine Idee, ein Gedanke, der einmal in die Welt gekommen ist, bleibt bestehen über alle Zeiten und Wechsel hinweg“, sagte der Komponist Hanns Eisler. Tragen wir unsere Fragen weiter, bis wir oder andere nach uns Antworten finden.