Wenn Menschlichkeit Angst und Terror überwindet

Erich Busse: Mutige Feiglinge, anständige Verräter und andere stille Helden in Deutschlands dunklen Zeiten. Ein Vortrag beim Hoyerswerdaer Kunstverein.

Erich Busse beim Hoyerswerdaer Kunstverein. Januar 2019."Deutschlands Geschichte hat lange dunkle Kapitel. Untertanengeist und kirchliches Waffensegnen haben gewaltige Verbrechen möglich gemacht, deren Auswirkungen bis heute nicht bewältigt sind", so Erich Busse. Er sieht es als seine Aufgabe an, den stillen Helden eine Stimme zu geben, die sich unter Gefährdung des eigenen Lebens als Christen für Verfolgte und Gedemütigte eingesetzt haben, ohne Ansehen von Person und Religion. Es waren zu wenige, und sie konnten den Lauf der Geschichte nicht stoppen.
Trotzdem, dass es wenige waren, staunt man doch, wie viele Personen Erich Busse an diesem Abend vorstellen kann. In seinem Vortrag beschränkte er sich auf unseren territorialen Raum und auf das heutige Westpolen.
Innerhalb der Evangelischen Kirche hatten sich 1934 Christen zur Bekennenden Kirche zusammen getan, um eine Gleichstellung von Christentum und Nationalsozialismus zu verhindern. Dazu gehört Dietrich Bonhoeffer, hingerichtet im KZ Flossenbürg, noch bis 2011 galt er als Vaterlandsverräter. Von vielen weiteren Theologen war zu hören, so auch von Joachim Iwand und Gerhard Gloege.  Gerhard Gloege hielt im Predigerseminar in Naumburg am Queis eindringliche Predigten gegen den Krieg: "Unser größtes Übel ist der Krieg. Allerdings gibt es Leute, die uns weismachen wollen, der Krieg sei gesund!"
Gotthard Martin Gauger war Jurist und Pazifist, er verweigerte als einziger namhaft bekannter Jurist den Treueeid auf Hitler, wurde sofort entlassen, kommt ins KZ nach Buchenwald und wird 1941 in Pirna Sonnenstein ermordet. Die Bischöfe Hans Meisner und Thefil Wurm verweigern die Unterstützung für Gauger. Er selbst schreibt vor seinem Tod an den Bruder: "Wenn der Nebel sich zerteilt hat... dann wird man sich fragen, warum nur einige, warum nicht alle sich so verhalten haben".
Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus waren doppelt bedroht, da sie sich von Politik fern zu halten hatten. Erich Busse erwähnt Elisabeth Schmitz, als Lehrerin lässt sie sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen, weil sie in den Fächern Geschichte, Deutsch und Religion den Unterricht so nicht geben konnte, wie es der nationalsozialistische Staat von ihr erwartete. Katharina Staritz betreut in Breslau als Vikarin Christen jüdischer Herkunft, sie verlangt für sie das gleiche Heimatrecht in der Kirche wie für andere Christen. Die Kirchenleitung schickt sie in Zwangsurlaub, 1942 kommt sie ins KZ Ravensbrück, wird "auf Bewährung" entlassen, erhält später in Westdeutschland eine Anstellung als Pfarrerin, sie stirbt 1953. Aus dem Kreisauer Kreis, der sich 1940 auf Gut Kreisau in Schlesien als Widerstandsgruppe gegründet hatte, nennt er die weniger bekannten Namen, wie Harald Poelchau und Carlo Mierendorf, der eine Pfarrer, der andere Journalist. Carlo Mierendorf ist in Großenhain geboren, hier ist weder ein Straße noch eine Schule nach ihm benannt.
Viele weitere Beispiele von Menschlichkeit hat Erich Busse in seinem Vortrag gezeigt. So auch, wie der Gebrauchsgrafiker und Illustrator Werner Klemke, der Angehöriger der deutschen Wehrmacht war, in Amsterdam seine Fähigkeiten nutzte, um für etwa 300 holländische Juden Pässe zu fälschen und somit ihr Leben rettete. Er selbst hat nach dem Krieg kaum darüber gesprochen. Eine holländische Filmemacherin drehte 2016 über ihn den Film "Treffpunkt Erasmus".
Katholischen Geistliche, wie Alois Andritzki, Bernhard Wensch, Aloys Scholze, Benno Scholze und Pater Aurelius Arkenau werden ebenso gewürdigt, sie kamen wegen Mitmenschlichkeit für Verfolgte und Gefangene ins KZ und meistens dort auch zu Tode. Auch Maria Grollmuß soll noch erwähnt werden, die katholisch, sorbisch und kommunistisch war, somit drei Gründe, um als Staatsfeind zu gelten. Sie starb im KZ Ravensbrück. In Hoyerswerda ist eine Straße nach ihr benannt.
Die Zeugen Jehovas wurden ihres Glaubens wegen von Staat und Kirche besonders geächtet, verhaftet und hingerichtet. 25 000 Zeugen Jehovas verweigerten den Wehrdienst. Einer von ihnen, August Dickmann, hatte Adolf Hitler öffentlich die personifizierte Bosheit genannt und ein Werkzeug des Satans. Im KZ Sachsenhausen wurde er 1939 medienwirksam hingerichtet. Bis heute wird der Mut der Zeugen Jehovas kaum gewürdigt.
Sehr persönliche Erlebnisse verbinden Erich Busse mit dem Bau der Mauer 1961 in Berlin, an der viele erschossen wurden, nur, weil sie das Land verlassen wollten. Bürger der DDR, die sich gegen die Maßnahmen des Staates stellten oder sich für politisch Verfolgte einsetzten waren Willkür und Terror ausgesetzt und kamen dafür ins Gefängnis. Erich Busse achtet zudem Desserteure und Kriegsdienstverweigerer, denn es ist keinem Christen auferlegt, einer Obrigkeit Untertan zu sein, wenn in deren Namen Unrecht geschieht.
Ein Beispiel von Ökumene sei noch genannt: Der evangelische Pfarrer Paul Schneider, der im Hunsrück und an anderen Orten Pfarrer war, wurde wegen seiner Ablehnung der nationalsozialistischen Einmischung in die seelsorgerische Tätigkeit mehrmals verhaftet und 1939 im KZ Buchenwald ermordet. An vielen Stätten seines Wirkens findet man heute Gedenktafeln, Papst Johannes Paul II. sorgte dafür, dass sein Bild in einer Ikone der Märtyrer in einer italienischen Kirche verewigt wurde.
Für Erich Busse als Pfarrer ist es der größte Verrat am christlichen Glauben, dass die Kirchenleitungen in den meisten Fällen geschwiegen oder den Nationalsozialismus aktiv unterstützt haben, besonders makaber zeigte sich das bei der Verfolgung der Zeugen Jehovas.
Sein Fazit für eine friedliche Zukunft lautet deshalb: Kompromisslose Ehrlichkeit gegenüber den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte. Doch das scheint das Schwerste überhaupt. Dazu ist der Mensch wahrscheinlich nur bedingt fähig.

 

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