Worin besteht die Einzigartigkeit des jüdischen Wissens?

Erich Busse, Pfarrer i.R., spricht über die vielfältigen Einflüsse des Judentums auf die Kultur Europas

Erich Busse zum Vortrag beim Hoyerswerdaer Kunstverein. 2019Noch immer setzten sie uns in Erstaunen, die vielfältigen Einflüsse des Judentums auf die Entwicklung in Europa über Jahrhunderte hinweg. Die Zeugnisse des Wirkens sind in vielen Bereichen von Kultur, Wissenschaft, Medizin und Technik zu spüren. Berühmte Namen füllen die Listen von Philosophen, Forschern und Erfindern, Nobelpreisträgern, Medizinern, Literaten und Theaterleuten, Künstlern, Musikern und Politikern. Einigen berühmten Persönlichkeiten setzt Erich Busse in seinem Vortrag ein Denkmal. Von den Besuchern war zu hören, dass sie sich mehr über die Geschichte des Judentums gewünscht hätten sowie über die Wurzeln des Antisemitismus, der heute wieder bedrohlich zu spüren ist.
Viele der im Vortrag von Erich Busse Genannten starben in den Vernichtungslagern des faschistischen Deutschland, andere gingen ins Exil, kaum einer der Exilanten kommt nach dem Zweiten Weltkrieg zurück nach Europa oder gar Deutschland.
In weiten Teilen Europas war es den Juden seit jeher verboten, Grundbesitz zu erwerben oder handwerkliche Berufe auszuüben. Der jüdische Glaube andererseits verpflichtete zu vielen Ritualen, an die man sich zu halten hatte, was für einen besonderen Zusammenhalt und vor allem für gesunde Lebensverhältnisse sorgte. Zur Tradition gehörte auch, dass die Jungs hebräisch lesen und schreiben lernen mussten, den Mädchen war es erst in späteren Jahren möglich, aber nicht Pflicht. Da die Juden in unzählige Länder verstreut waren, lernten sie zusätzlich die Landessprache, was wiederum eine höhere Bildung ermöglichte und ebenso ein wichtiges Instrument für den Handel in aller Welt war, denn kaufmännische Berufe waren ebenfalls erlaubt. Dazu kam ein unbändiger Drang nach Wissen um die Dinge der Welt. Das alles führte zu Reichtum und Macht vieler jüdischer Familien, erzeugte Neid und Ausgrenzung, ein willkommenes Feindbild.
Zu hören war vom Salon der Rahel Varnhagen von Ense, die als Jüdin und Frau von der gehobenen Gesellschaft ausgeschlossen war und deshalb selbst einen literarischen Salon gründete, den sie mit Charme und Wissen lenkte. Hier trafen sich im 18. und 19. Jahrhundert Adlige - darunter auch Fürst Pückler - Dichter, Künstler und Wissenschaftler zu Gedankenaustausch und Meinungsäußerungen außerhalb jeglicher Konvention. Ludwig Tieck, Wilhelm von Humboldt, Jean Paul, Friedrich Schlegel, Heinrich Heine gehörten dazu, Friedrich Hegel, Bettina von Arnim und viele weitere, ein Wirken für die Akzeptanz des Judentums und für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
Zu den bedeutenden jüdischen Philosophen gehört auch Karl Marx, dessen Eltern beide aus Rabbiner-Familien stammten, die Familie wird evangelisch und Karl Marx schreibt einen Abituraufsatz zu "Menschensohn im Johannesevangelium". Später wird er zum Kritiker des Kapitalismus und der Religion.
Ein wichtiger Wegbereiter für die Musik war Felix-Mendelssohn-Bartholdy, der die Kompositionen Bachs wieder entdeckte, der in Leipzig die erste Musikhochschule Deutschlands gründete und dessen grandiose Kompositionen bis heute die Konzertsäle füllen. Politiker, wie Walther Rathenau und Rosa Luxemburg, fallen Attentaten zum Opfer, Künstler und Theaterschaffende wie Max Reinhardt, Franz Werfel und Kurt Weil gehen ins Exil.
Zu hören ist auch von Fritz Haber, auf den die synthetische Herstellung von Ammoniak zurückgeht. Er entwickelte aber auch Chlor- und Phosphor-Gase für die Vernichtung von Menschen im Ersten Weltkrieg. Seine Frau, Clara Immerwahr, verh. Haber, die erste promovierte Chemikerin in Deutschland, erschoss sich 1915, wenige Tage nach dem ersten Giftgaseinsatz im Krieg. Fritz Haber emigriert 1933 nach London und stirbt kurz darauf in Basel.
Von vielen weitere Persönlichkeiten ist die Rede, von Franz Kafka und Max Brod, von Albert Einstein, Victor Klemperer, Milena Jesenska und von der langen Liste der jüdischen Nobelpreisträger.
Und heute? Ein Beispiel aus dem Jahr 2001: Daniel Barenboim dirigiert zum Zeichen von Toleranz und Versöhnung in Israel das West-Eastern Divan Orchestra, das je zur Hälfte aus israelischen und arabischen Musikern besteht, dazu Musik von Richard Wagner, er erntet Kritik und Beifall. Für ihn ist Musik weder politisch noch antisemitisch, aber sie kann Völker einen.

 

 

 

 

 

 

 

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