Nachruf zum Tod von Martin Schmidt

Martin SchmidtAm 24. Januar starb Martin Schmidt im Alter von 85 Jahren.
Wo soll man beginnen mit einem Nachruf auf eine Persönlichkeit, die über viele Jahrzehnte das kulturelle Leben der Stadt Hoyerswerda maßgeblich beeinflusst hat? Ein Mann, der frei nach Bert Brecht, die Kunst als Lebenskunst mit allen Fasern seines Daseins wirklich lebte, der von früh bis spät Bücher las und die Begeisterung dafür an andere weitergab, indem er Veranstaltungen und Ausstellungen vorbereitete und mit viel Herzblut das Erbe von Brigitte Reimann in Hoyerswerda und darüber hinaus lebendig hielt?
Martin Schmidt wurde am 28. Oktober 1937 in Stettin, dem heutigen Szczecin, geboren, studierte später in Greifswald Theologie und 1961 kam er als junger Theologe nach Hoyerswerda, er suchte eine Arbeit im Alltag beim Aufbaus der neuen Kohle-Region in und um Hoyerswerda und wurde Mitarbeiter im Tagebau Burghammer, einer ehemaligen Arbeitsstätte von Volker Braun. Er lernte Arbeiter kennen, die wiederum Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann kannten und erfuhr, dass sie ganz in Nähe wohnten. Ein enger Kontakt mit Brigitte Reimann kam 1967 zustande, der bis zu ihrem Tod im Jahr 1973 nicht abriss.
Matin Schmidt hatte mit seiner Frau Helene einen Freundeskreis der Künste und Literatur ins Leben gerufen, der sich in Wohnungen der Neustadt von Hoyerswerda traf, über Bücher aus aller Welt, über Malerei und Musik debattierte und Theaterfahrten für ihre Familien nach Senftenberg und Berlin organisierte. Der Freundeskreis fand später eine Bleibe im Otto-Grotewohl-Klub in Hoyerswerda-Neustadt, wo in einer „Kleinen Galerie“ unzählige Ausstellungen von Künstlern der Moderne vorbereitet und diskutiert wurden, Ausstellungen von und Gespräche mit Hans Theo Richter, Elisabeth Shaw, Fritz Cemer, Lothar Sell, Jan Buck, Günter Peters, Harald Metzkes, Otto-Niemeyer-Holstein, Jürgen von Woyski, Dieter Zimmermann, Gerhart Lampa und viel weitere.
Immer als treibende Kraft Martin Schmidt, der meistens auch die Laudatio hielt. In diesen Räumen lesen auch viele namhafte Schriftsteller aus ihren Büchern, Christa und Gerhard Wolf, Reiner Kunze, Günter de Bruyn, Fritz Mierau, desweiteren berühmte „Theaterleute“.
Nach 1989 wird aus dem Freundeskreis der Künste und Literatur der Hoyerswerdaer Kunstverein. Neben der Kunst ist nun auch noch Aufwand für die Vereinsarbeit von Nöten, Stellen von Anträgen für finanzielle Unterstützung, Buchführung, Jahresberichte und Steuererklärung.
Aber vor allem das Erfreuliche, die Welt der Kunst wird plötzlich weiter und interessanter. Im Schloss Hoyerswerda organisiert Martin Schmidt Lesungen und Vortragsabende zur bildenden Kunst, bereitet Exkursionen zu Bildungsstätten in ganz Deutschland vor und begleitet Begegnungen über 20 Jahre hinweg mit einem Freundeskreis aus Rotterdam. Alles sind unvergessliche Erlebnisse.
2006 wird in der Brigitte-Reimann-Straße Hoyerswerda eine Begegnungsstätte für die Schriftstellerin eingeweiht, die Martin Schmidt gemeinsam mit dem Intendanten des Senftenberger Theaters, Sewan Latschinian und der Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda, Frau Fassl, ins Leben rief. Hier wurde bis 2021, also 15 Jahre lang Literatur vermittelt, wurde in mehr als 200 Reimann-Spaziergängen, mit Einheimischen, mit Schülern und mit Gästen aus Welt, auf den Spuren der Schriftstellerin und ihrer Romanfigur „Franziska Linkerhand“ das Leben in dieser Stadt mit ihren positiven und negativen Seiten literarisch vorgestellt. Heute befindet sich diese Begegnungsstätte in der Brigitte-Reimann-Stadtbibliothek.
Martin Schmidt ist auch der Initiator für das Anbringen einer Erinnerungstafel für Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann am Wohnhaus in der Liselotte-Herrmannstraße 20, in dem beide Schriftsteller von 1960 bis 1964 lebten.
Immer wieder bemühte sich Martin Schmidt auch darum, junge Menschen mit den Büchern von Brigitte Reimann vertraut zu machen. Zu mehreren Wettbewerben für junge Leute wurden Schüler von Oberschulen und Gymnasien der Stadt aufgefordert, sich zu Texten von Brigitte Reimann in Form von kleinen Erzählungen oder mit Werken der bildenden Kunst zu äußern, erstaunlich, in welcher Vielfalt die Schüler an den Wettbewerben teilnahmen, eine riesiger Schatz von Wissen und Empfindungen war hier zu hören und sehen.
Am 21. Juli 2013, an diesem Tag wäre Brigitte Reimann 80. Jahre alt geworden, konnte Martin Schmidt gemeinsam mit vielen Initiatoren ein Denkzeichen für Brigitte Reimann im Zentralpark der Stadt Hoyerswerda einweihen, das von dem Künstler Thomas Reimann gestaltet wurde und für das 10 Jahre lang Spenden gesammelt werden mussten, das brauchte einen langen Atem.
Gemeinsam mit dem Klinikum Hoyerswerda initiierte Martin Schmidt zudem Ausstellungen namhafter Künstler in einer neuen „Kleinen Galerie“, dazu Lesungen zu Vernissage und Finissage, welche große Resonanz fanden. Eine ebensolche Resonanz fanden auch die vielen Lesungen mit bekannten Schriftstellern, mit Literatur- und Kunstkennern im Schloss und Konzerte mit Heidemarie Wiesner und dem Sächsischen Musikbund. Außerhalb des Kunstvereins engagierte sich Martin Schmidt auch in kommunalen Gremien der Stadt, doch das ist eine weitere Geschichte.
Bis zum November 2021 war er in seiner Funktion als Vorsitzender der Hoyerswerdaer Kunstvereins unermüdlich tätig, zuletzt lebte er in einem Seniorenheim in Allersberg.
In all den Jahren wurde er geistig unterstützt von seiner Frau Helene, die ihm eine gleichwertige Partnerin war und ihm den Rücken frei hielt durch ihre Sorge um Wohl und Wehe einer Familie mit zwei Kindern, zu denen später Enkel und Urenkel hinzukommen und, die ihm die „profanen“ Tätigkeiten innerhalb des Vereins stets abnahm.
Martin Schmidt lebte so, wie er es einmal äußerte und wofür wir ihm heute unendlich dankbar sind:
„Ich halte es für meine Aufgabe, die Schönheit der Kunst in diese Stadt zu holen, um der Stadt ein Gesicht zu geben, und, damit die Menschen ihre Gesichter einander zuwenden.“

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Nachruf zum Tod von Mattin Schmidt - ein ganz persönlicher Nachtrag

Martin Schmidt hat über viele Jahre hinweg das Erbe von Brigitte Reimann in Hoyerswerda und darüber hinaus, in der Welt, bekannt gemacht.  Große Unterstützung erfuhr er dabei von Irmgard Weinhofen, der langjährigen Freundin von Brigitte Reimann. Irmgard Weinhofen verbrachte viele Jahre in Amsterdam und lebt heute in Berlin. Trotz ihres hohen Alters von fast 92 Jahren nahm und nimmt sie regen Anteil an der Arbeit des ehemaligen Kunstvereins und war mehrfach als wichtigste Zeitzeugin Gast in Hoyerswerda. Durch ihr reiches Wissen über Brigitte Reimann und ihre profunden Kenntnisse von Literatur hat sie in erfrischender Weise das Leben des Vereins geprägt und die Persönlichkeit von Brigitte Reimann sehr menschlich und liebevoll vermittelt. Der Briefwechsel zwischen beiden wurde unter dem Titel "Grüß Amsterdam" herausgegeben.  Irmgard Weinhofen gilt allergrößter Dank und allseitige Bewunderung.

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