Premiere. Im Schloß Hoyerswerda wird heute in Essay vorgestellt zu Brigitte Reimann.  

Helene und Martin Schmidt

Kann man über Brigitte Reimann noch Neues schreiben? Ja, Helene und Martin können es.
Sie waren seit 1968, seit dem letzten Hoyerswerda-Jahr der Schriftstellerin, eng mit Brigitte Reimann befreundet - bis zu deren frühem Tode 1974. Aus dieser sehr persönlichen Beziehung schöpfen die beiden Hoyerswerdaer Autoren ihren Stoff für den Essay „Brigitte Reimann - Begegnungen und Erinnerungen“.
Um das deutlich zusagen: Hier werden keinesfalls private Belanglosigkeiten lang und breit ausgewalzt, wie es Verfasser von „Zeitzeugen“- und „Erinnerungs“-Literatur in Befriedigung einer kleinen Eitelkeit so gern tun. Nein - die Schmidts nehmen sich ganz zurück. Nur, wo eine persönliche Erinnerung Bindeglied zwischen Fakten und Zitaten ist, Zusammenhänge herstellt und das Verständnis befördert, hat sie Gnade, sprich: Aufnahme in das 170-Seiten-Manuscript gefunden - oder wenn ein Halbsatz ein überraschendes Detail zu Tage fördert, das dem Leser einen „Aha“ -Effekt verschafft.
Neben die belegbaren Tatsachen und deren (wohltuend objektive) Kommentierungen haben die Schmidts viele Zitate gestellt: Von der in Amsterdam lebenden Reimann-Freundin Irmgard „Irmchen“ Weinhofen, von der Reimann selbst, aber noch mehr von Siegfried Pitschmann, mit dem sie zu Beginn ihrer Hoyerswerdaer Zeit verheiratet war. Der Band „Verlustanzeige“ von, vielmehr mit und über Pitschmann erweist sich als schier unerschöpfliche Quelle, deren Lektüre als weiterführende hier anempfohlen sei.
Aber zurück zu „Begegnungen...“. In der Schilderung der Schmidts wird nicht nur die Reimann wieder lebendig, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte, deren Mikrokosmos in den 60er und 70er Jahren Hoyerswerda war - widergespiegelt im posthum erschienenen Reimann-Roman „Franziska Linkerhand“.
Ein lakonisch kurzer Abriss zum Scheitern und den ungewollten Ergebnissen des „Bitterfelder Weges“ von 1958 („Greif zur Feder, Kumpel - die sozialistische Nationalliteratur braucht dich!“) weckt genauso Interesse wie das Zitat eines Aufsatzes von Rudolf Hamburger („Das hässliche junge Entlein“), mit dem Hoyerswerdas Stadtarchitekt auf Brigitte Reimanns provokante Zeitungsfrage „Kann man in Hoyerswerda küssen?“ (1963) antwortete.

Ulrich Reimann

Man erfährt von einem Brief des Freundeskreises der Künste und Literatur an Staats- und Parteichef Walter Ulbricht: In ihrer Stadt Hoyerswerda, so die Freundeskreisler, werde die Verfassung der DDR verletzt, die jedem Zugang zur Kultur verspreche! Auch Brigitte Reimann unterschrieb den Brief - und erntete dafür den funktionärsseitigen Vorwurf, sie sei „Rädelsführerin bei der Bildung einer konterrevolutionären Gruppe“.
Das hinderte die Reimann nicht, sich weiter für „ihr“ Hoyerswerda einzusetzen – sei’s als Linden-Pflanzerin der Bautzener Allee, sei’s als Mahnerin, die vor dem Nationalrat der Nationalen Front das der Stadt Versprochene (so etwa ein Theater) einforderte. Aber 1968 war das Maß voll, hatten die Offiziellen es geschafft, Brigitte Reimann aus Hoyerswerda zu vertreiben: Nach Neubrandenburg.
Von alldem erfährt der Leser der „Begegnungen“ und fühlt sich mit hineingenommen in diese Zeit, in das Leben der Reimann, zu dem die Schmidts ein sehr schönes Bild gefunden haben: „Sie sah die Welt, wie sie war und zugleich wie sie sie sehen wollte, wie es ihre Phantasie befahl.“ Die Schmidts verschweigen auch nicht, wie schäbig das offizielle Hoyerswerda dann jahrzehntelang mit der Erinnerung an die Schriftstellerin umging, die dieser Stadt doch ein unvergängliches literarisches Denkmal gesetzt hat und erst jetzt, zu danken viel privater Initiative, beginnt, ihre Ehrenschuld abzutragen.
Man darf der Premiere des Bandes, heute um 19 Uhr Hoyerswerdaer Schloss, erwartungsvoll entgegensehen.

„Brigitte Reimann - Begegnungen und Erinnerungen" von Helene und Martin Schmidt; erscheint als Band 11 der Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek Hagen. Bezug über Fernuniversität in Hagen, AVZ/Bibliothek-Tauschstelle; Universitätsstraße 23 in 58097 Hagen. Telefon 0 23 31/9 87 28 92

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