Märchen spiegeln gesellschaftliches Miteinander

Uwe Jordan erkundet die Märchen des russischen Schriftstellers Alexander Wolkow und die seines Vorgängers, des Amerikaners Lyman Frank Baum.
75 Jahre Zauberland: " Der Zauberer von Oz" und "Der Zauberer von Smaragdenstadt"

Uwe Jordan liest beim Kunstverein im Schloss HoyerswerdaIn keinem anderen Metier lässt sich das menschliche Miteinander so erkunden wie in dem gesprochenen und geschriebenen Wort. Es lassen sich zwar Fakten über Sitten und Bräuche an Hand der Archäologie erkennen, an alten und sehr alten Gebäuden und Gärten Spuren des Könnens seiner Erbauer finden, aber wie haben deren Schöpfer gedacht und empfunden? Das erfahren wir zum größten Teil nur durch das Wort. Und dass der Mensch von damals und heute so große Unterschiede in seinen Emotionen nicht aufweist, zeigt uns die Literatur, und die kennen wenige so gut wie Uwe Jordan.
In den Psalmen der Bibel, in den Märchen und Mythen, in klassischer Literatur, in Krimis und Science Fiktion findet sich alles wieder, was das jeweilige Jetzt beschreibt und Visionen für die Zukunft ausbreitet. In allem kennt sich Uwe Jordan bestens aus und erhält dadurch eine sehr bodenständige umfassende Sicht auf unsere Zeit. Es immer wieder ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Denn nicht nur die Literatur ist sein Metier, sondern auch die Musik.
Davon konnten sich die Zuhörer des Abends gleich zu Beginn überzeugen, als er den weltbekannten Song "Over the ainbow" perfekt mit allen Strophen zu Gehör brachte. Dieser Song aus der Verfilmung des "Zauberers von Oz" aus dem Jahr 1939 nach dem gleichnamigen Märchen von Lyman Frank Baum ging um die Welt, Buch und Film mit ihm und mit ihm der Traum des Mädchens Dorothy und ihres Hündchens Toto. Das Buch allerdings wurde schon 1900 geschrieben und zeigt die Fabulierkunst des Amerikaners, die nicht nur Kinder fesselte, auch wegen der hervorragenden Illustrationen von W.W. Denslow. Neben dem Mädchen und dem Hündchen agieren die Vogelscheuche, der Blechmann und der Feige Löwe. Ihre Gegenspieler sind natürlich Zauberer und Hexen und allerlei Wölfe, Spinnen und viele mystische Wesen. Das Besondere bis heute ist eine ausgewogene klare Sprache für Kinder, die nicht verniedlicht und die sich nicht an die bekannten Märchen der Brüder Grimm oder Andersen anlehnt, ebenso weisen die Illustrationen hohes künstlerisches Können auf.
Die Wirkung von Buch und Film reichte offenbar bis Kasachstan in der damaligen Sowjetunion zu Alexander M. Wolkow. Dieser erzählt die Geschichte neu, und meisterhaft illustriert wir sie von Leonid Wladimirski. Im ersten Moment könnte man denken, es ist ja genau die gleiche Geschichte, denn alle Figuren und Orte werden übernommen. Wolkow nennt seine Geschichte "Der Zauberer von Smaragdenstadt". Und Smaragdenstadt ist die Stadt des Zauberers von Oz. Dank der klugen Hinweise von Uwe Jordan kann man nun spüren, dass Wolkow eine neue eigenständige Geschichte erzählt. Er ermuntert die Kinder und Leser zum Nachdenken über Entscheidungen, wieso wünscht sich die Vogelscheuche so sehnsüchtig ein Gehirn, wo ihr Stroh zum Denken doch völlig ausreicht, die Krähen zu verscheuchen oder wozu wünscht sich der Eisenmann ein Herz, da er doch sehr beherzt gegen die Wölfe gekämpft hat. Und gar der Löwe, er wünscht sich Mut, den er doch schon bei der Rettung des Mädchens, das bei Wolkow Elli heißt, bewiesen hat? Sehr schöne Dialoge mit Tiefgang, auch für Kinder, und theatergerecht vorgetragen.
Der Bogen, den Uwe Jordan spannt, reicht von den Märchen an sich und deren Fortsetzungen, über Kritiken und weltweite Wirkungen bis heute in Buch, Film und Charts-Listen der Musik. Spannend bis zum Schluss, obwohl er den Schluss des Märchens offen ließ, den sollte jeder selbst nachlesen.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt vom 11.01.2014

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.