Ein Abend mit Arno Schmidt vermittelte einen Ausflug in die reale Welt unserer Tage  und der Literatur

Der 100. Geburtstag und der 35. Todestag des Schriftstellers Arno Schmidt (1914 – 1979) führten gestern Literaturfreunde des Hoyerswerdaer Kunstvereins , dazu Gäste aus Dresden, Bernsdorf und Schwepnitz, zu einer Lesung aus den Werken des in unseren Breiten leider viel zu wenig bekannten Autors zusammen. Diese Tatsache mag umso mehr verwundern, da er Gymnasiast in Görlitz war, in Schlesien lange Zeit arbeitete, bis der Krieg ihn wegführte. In einigen seiner zahlreichen Bücher gesteht er seine Bindung an die Lausitzen und man kann dort die brillante Kenntnis dieses Mannes bewundern.                                                                                                                       
Uwe Jordan liest Arno SchmidtUwe Jordan, ein exzellenter Literaturkenner unserer Stadt und zudem ein Verehrer der Werke jenes Mannes stellte ihn mit einer wohl ausgewählten Lesung aus frühen und späteren Werken vor. Er hielt sich nicht mit  einzelnen Daten jenes Autors auf, der vom Beginn seines Schaffens an ebenso umstritten war, wie er von anderen bis heute verehrt wird. Eine Kopie aus einem der letzten Bücher Arno Schmidts „Zettel´s Traum“,  dessen vier Bände in  A3 Format auf dem Vortragstisch zu sehen waren, vermittelten allen Besuchern die Eigenart des Satzes, mit Haupttext und Anmerkungen aus beiden Rändern, die sehr wohl dazu gehörten, wie sich beim Lesen zeigte. Die durchaus eigenwillige Orthographie, die durchaus hintergründig sinnfällig wurde, wenn man genauer hinsah, ließ die Leser am Spaziergang des Autors mit ebenseinem Gesprächspartner Zettel teilnehmen. Da war das  „Muh“ der Kühe, die Rufe der Vögel und anderes vermerkt, eben die Geräusche, die die Einsamkeit Arno Schmidts in Bargfeld in seinen späten Jahren in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide begleiteten. Gerade diese Umgebung hatte der Schriftsteller gesucht, der viele Jahre sein Leben nur mit Übersetzungen englischer und amerikanischer Literatur fristen konnte, der eine neue Ausgabe der Werke von Edgar Allen Poe schuf und immer wieder sein Herz an James Joyce, den irischen Dichter des vorigen Jahrhunderts verlor.                                                                                    
Uwe Jordan gab Proben aus den frühen Werke zum Besten, zeigte dabei bisher unbekanntes schauspielerisches Talent, das die Texte zu bildhaften Szenen werden ließen und auf die Weise das Vergnügen am Zuhören steigerten. Dem Roman „KAFF auch Mare Crisium“ folgte er mit längeren Auszügen und vermittelte damit die schriftstellerische Auseinandersetzung Arno Schmidts mit politischen Ereignissen der Jahre bis 1960, und seine Stellung dazu. Die Konfrontation der USA mit der Sowjetunion, das Übertrumpfen wollen des einen durch den anderen, das Schüren von Ängsten im Kalten Krieg wurden in Assoziationen und Meinungen des Autors zu einem dichten Netz verknüpft. Bei dieser Art komplexen Erzählens Schmidts, der Träume, Phantasien, Beobachtungen und Erlebnisse Bücher von Arno Schmidtverbindet, wurde eine neue Sicht auf die Welt deutlich. Uwe Jordan brachte all diese Passagen gut herüber, obwohl das Neue dieser Erzählweise, die Gedankenflüge und die Sicht auf eine Welt, die sich atomarer Bedrohung gegenüber sah, durchaus eine Herausforderung für die Zuhörer bot. Arno Schmidt stellt an sich und seine Leser die Forderung, sich  selbst einzubringen, nicht dem Ruf zu folgen, nur die einfachen Dinge zu tun, die jeder allein lösen kann und muss. Es sei notwendig, die Verflechtung von Taten und deren Folgen zu bedenken. Dies gelte auch in allen Teilen der Erde, für die überall Menschen Verantwortung übernehmen müssen. Arno Schmidt fordert mit seinen Büchern dazu heraus und schenkt dabei auch Lachen, Ironie, geistreichen Witz und fasziniert mit seinem umfangreichen Wissen, um das man ihn beneiden kann. Uwe Jordan ist zu danken, dass er auf diesen „Großen“ unter den deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts hingewiesen hat und zum Lesen von dessen Büchern verlockte. Wozu lesen wir, wenn wir nicht neu über manches nachdenken wollen, könnte man nach diese Abend am Kamin fragen. 
 
Wer Uwe Jordan beim Lesen von Zettel´s Traum erleben möchte, kann sich das folgende Video anhören. Viel Freude dabei.