Wo Preußen Sachsen küsst

Schloss Doberlug 2014Wenn man als sächsischer Bürger die Erste Brandenburgische Landesausstellung besucht, kann man nur voller Bewunderung auf das Nachbarland schauen. Die Macher dieser Ausstellung stellen nicht nur ihr Land auf einen Sockel, sondern sie thematisieren die vielfältigen Verflechtungen mit dem Nachbarland Sachsen. Dafür müsste Sachsen eigentlich Preußen küssen, denn diese Ausstellung erscheint fast wie eine Korrespondenz zwischen zwei unzertrennlichen Freunden. 
In sieben verschiedenen Szenen erfährt man von Rivalität und gemeinsamem Handeln, von Vormacht des einen und Ohnmacht des anderen, vom Wechsel zwischen katholischem und evangelischem Glauben, von Brandschatzen und wieder Aufbauen, von Glanz und Gloria auf beiden Seiten. Das alles auch zu sehen an den häufigen Verschiebungen der Landesgrenzen, was die vielen Grenzsteine bezeugen.  Heute war man Sachse und morgen schon wieder Preuße. Für dieses Auf und Ab stehen Ort und Schloss "Dubrilugk" stellvertretend in besonderem Maße. Heute erstrahlt das  Schloss in einem nie gesehenen Glanz und empfängt mit brandenburgisch-preußischer Herzlichkeit seine Gäste.
Der Gang durch die Ausstellung ist nicht lang, aber umso intensiver. Allein der Kopfputz der jeweiligen Herrscher von Brandenburg und Sachsen spricht für sich. Zu einer Zeit, als in Preußen schon die Königskrone getragen wurde, gab es in Sachsen nur den Hut des Kurfürsten, beides ist in der Ausstellung, teilweise im Original  vorhanden. Hier erschließt sich auch das Wertvolle eines Kurfürstenhutes, hergestellt aus rotem Samt, mit weißem Hermelinfell, dies abgesetzt mit den dunklen Hermelinschwänzchen, insgesamt ein sehr elegantes Accessoire, zudem wesentlich leichter als eine Krone. Aber für den sächsischen Hof bleibt eine Krone ein Neidfaktor. Als Friedrich August I. genannt der Starke, sich 1697 in Warschau zum König Friedrich August II.  krönen lAuf dem Schlossgelände befindet sich die ehemalige Klosteranlage Dobrilugk, mit noch heute genutzter Kirche, welche in die Landesausstellung einbezogen wurdeässt, darf er nunmehr auch eine Krone tragen und steht dem Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I. König in Preußen, in nichts mehr nach. Voraussetzung hierfür allerdings war der Wechsel zum katholischen Glauben, womit auch der europäische Heiratsmarkt für den sächsischen Hof um ein Vielfaches vergrößert wurde.  
Ein weiteres Detail der Ausstellung, Chemie, Glas und Porzellan, erforscht und produziert in Meißen und bei KPM. Forscher wechseln von Berlin nach Dresden und umgekehrt. Auch Bergakademien werden im 18. Jahrhundert in beiden Ländern gegründet, verbunden mit dem Namen Friedrich August von Heynitz, der führende Positionen zuerst in Sachsen und dann in Berlin inne hatte. 
Was uns Sachsen und Literaturfreunde besonders freut, auch Gotthold Ephraim Lessing ist Thema der Ausstellung. Lessing, in Kamenz geboren und in Sachsen vielseitig ausgebildet, arbeitete über
viele Jahre in Berlin.
Dort lernte er neben vielen Intellektuellen auch Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn kennen und gab mit ihnen die "Briefe, die neueste Literatur betreffend" heraus.
 
Aus Freundschaft zu Johann Wilhelm Gleim schrieb er sogar zu dessen patriotischen "Preußischen Kriegsliedern" ein Kircheninneres mit Wappen von Preußen und Sachsenwohlwollendes Vorwort, obwohl Lessing selbst überzeugter Pazifist und Kriegsgegner war.
Bisher weniger bekannt ist das sogenannte "Zeithainer Lustlager" bei Riesa an der Elbe aus dem Jahr 1730, als  in Sachsen August der Starke regierte und in Preußen Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig.
August der Starke hatte eingeladen und die größte Truppenschau Europas zelebriert. Allein die sächsischen Truppen bestanden aus 27.000 Mann, dazu kamen 48 geladene europäische Fürsten mit ihrem Gefolge. Alle mussten versorgt und untergebracht werden, natürlich ein groß Teil von ihnen standesgemäß. Es gab ein eigens dafür erbautes Theater und am Ende ein Riesenfeuerwerk an der Elbe. Friedrich Wilhelm I. war begeistert. Allerdings war ihm bei all seiner Begeisterung  entgangen, dass sein Sohn, der spätere Friedrich der Große, mit seinem Freund Katte aus diesem Lager flüchtete. Friedrich der Große hat später in den "Schlesischen Kriegen" gegenüber Sachsen eine sehr zerstörerische Politik betrieben. 
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation endet mit den Napoleonischen Kriegen, Sachsen und Preußen stehen in wechselnden Konstellationen zu Napoleon, Abschluss bildet der Wiener Kongress, an dem Sachsen 2/3 seines Territoriums an Preußen verliert. Auch dafür ist Authentisches in der Ausstellung zu finden. 
Das Eingangsbild könnte auch als Ausgangsbild fungieren. Es ist ein Freundschaftbild zwischen Sachsen und Preußen von Johann Fink aus dem Jahr 1665, auf dem Kurfürst Johann Georg II aus Sachsen und Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, beinahe etwas zögerlich die Hände Begleitheft zur Landesausstellung mit einem Ausschnitt aus dem Gemälde von 1665ineinanderlegen. Eine sehr symbolische Geste für unser Heute und Morgen, nicht nur zwischen Sachsen und Preußen.  

Erstaunliches auch in der Region

Die Landesausstellung lenkt mit ihrem Programm die Blicke auch aufs Land Brandenburg und auf angrenzende Regionen. Das Programmheft „KulturZeit“  belegt, dass nicht nur das Schloß Doberlug seinen Teil beiträgt, vielmehr bieten zahlreiche Schlösser, Kirchen, Galerien und Begegnungsstätten zusätzlich in 47 Orten, größeren oder kelienern Städten und Dörfern des Elbe-Elster-Kreises und seiner Nachbarn künstlerisch anspruchsvolle wie erholsam anregende Beiträge, lassen auch Bautzen, Kamenz, Görlitz im benachbarten Sachsen nicht unerwähnt.                     Während der fünf Monate der Öffnungszeit der Landesausstellung laden u.a. der Skulpturengarten in Doberlug-Kirchhein, Freilicht-Ateliers, der Pfarrgarten Saxdorf – seit Jahrzehnten eine Perle zeitgenössischer Kunst , Chor-, Orgel-, Internationale Film-,  Mühlen- und Sängerfeste – letztere in der Sängerstadt Finsterwalde - fünf- und mehrmals zum Besuch ein. Reitsportvereine, Pfleger der Feuerwehr- Handdruckspritzen oder Freunde des Wandermarionettentheaters laden zum Bewundern ihrer Künste ein. Das Museum der Kunsteisengießerei Lauchhammer zeigt, welche Größen der Geschichte, welche Schönheiten sie seit einem Jahrhundert schaffen. Die Abraum-Förderbrücke F60, eine technische Meisterleistung, lädt als Bergbaumuseum zum Besuch ein. Es bieten sich Rosentage, Licht- und Orgelnächte an. Dem Fürsten Pückler kann auf verschlungenen Wegen im Branitzer Park begegnet oder die „barocke Planstadt Doberlug“ entdeckt werden. Für die Kindergenerationen bietet das Programm ein höchst verlockendes Puppentheaterfestival auf 22 Bühnen in 40 Orten. Zur Erholung sind Teichfahrten oder Radtouren im Angebot. Konzerte erinnern an die Brüder Carl Heinrich Johann Gottlieb Graun, über ihre Zeit hinaus anerkannte und bewunderte Komponisten. Selbst versierte und intensiv Reisende überrascht die Fülle. Auf eine angemessene Zeit lässt das Programm die Gäste der Landes-Ausstellung ohne aufdringlich oberflächliche Werbung eine Kulturlandschaft  und deren Bürgern, die sie tragen und seit Jahrhunderten gestalten, entdecken. Die Landes-Ausstellung wird ihrem Namen aufs beste gerecht: Sie zeigt den Landkreis  Elbe-Elster in einer kulturellen und geschichtsreichen Vielfalt, die kaum ein Reisender ahnt, der auf der Autobahn oder per Bahn durch ihn dahin eilt, geschweige denn kennt. Das Angebot von Doberlug hilft ihm dieses Geheimnis wie auch das des Zaubers zu lüften: „ Wo Preußen sich und Sachsen küssen“.  

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