Viel Gefühl zum 81. Geburtstag - Wachsendes Interesse an Brigitte Reimann und ihrer Wahlheimat Hoyerswerda

Das besondere Gefühl, sich auf den Spuren einer besonderen Autorin zu bewegen, haben Literaturfreunde beim Reimann-Spaziergang am Vorabend ihres 81. Geburtstages erlebt. Mit dabei: der Berliner Journalist Mirko Schwanitz.
Spuren hat Brigitte Reimann hinterlassen in Hoyerswerda. Mit ihrem Verstand, ihrer Phantasie und ihren Selbstzweifeln, die sich widerspiegeln in ihren Werken. Dass sie selbst deutlich sichtbar wird an zentraler Stelle, dafür sorgen andere. Und so ließ sich Angela Potowski auf jenem Kunstwerk aus Stein und Edelstahl nieder, das die Reimann nie kennengelernt hat und dennoch starker Ausdruck ihres Einflusses auf die Stadt ist: das Reimann-Zeichen. Dort, im Zentralpark, endete am Sonntag, einem Tag vor dem 81. Geburtstag der Schriftstellerin, der Reimann-Spaziergang des Kunstvereins. Und Angela Potowski las aus "Franziska Linkerhand", einfühlsam und emotional wie es wohl die Autorin geliebt hätte.
Das Interesse an Reimann und Hoyerswerda wird weiter wachsen. Davon ist Mirko Schwanitz überzeugt. Der Berliner Journalist, ein Mann vom Deutschlandfunk, will eine Sendung über die Reimann und Hoyerswerda machen. Auf die Autorin ist Schwanitz vor einem Jahr aufmerksam geworden, als er eine Reportage über die Einweihung des Reimann-Zeichens machte. Nun habe er Zeit gefunden, sich näher mit Brigitte Reimann und dem Kunstverein zu befassen, sagt Schwanitz. Er finde es bewundernswert, wenn Menschen aus der Stadt, in der die Reimann acht schaffensreiche Jahre ihres kurzen Lebens verbrachte, ehrenamtlich das Erbe ihrer bedeutenden Mitbürgerin pflegen. Schwanitz erinnert aber auch daran, dass Hoyerswerda immer noch stark über die rechtsradikalen Ausschreitungen von 1991 wahrgenommen werde. Dazu sagt er: "Das hat die Stadt nicht verdient." Er plädiert dafür, den Namen Brigitte Reimann noch stärker kulturpolitisch und touristisch zu nutzen. Das könnte helfen, das Bild von Hoyerswerda deutschlandweit zu verbessern.
Wie facettenreich und streitbar die Autorin war, was ihr wichtig war und wofür sie eintrat, brachte Martin Schmidt den Literaturinteressierten näher. Auf dem Weg zwischen Reimanns einstiger Wohnung im WK I und dem finalen Punkt plauderte der Vorsitzende des Kunstvereins über Reimanns Visionen und Wirklichkeit. Sie habe gekämpft für Kommunikationsräume, habe den Bau eines Jugendklubhauses und des "Centrum"-Kaufhauses durchgesetzt. Heute stehe auch das Kultur- und Tagungszentrum Lausitzhalle, für das sie vor ihrem frühen Tod noch vergeblich gestritten hatte, erklärt Schmidt den Gästen.
Stärker noch als alle Erklärungen sind Reimanns eigene Worte. Auszüge aus ihrem Roman "Franziska Linkerhand" spiegeln Wirklichkeit, ihre Tagebücher wirken ergreifend. Die Spaziergänger aus Schleswig-Holstein, Berlin und Hoyerswerda können Reimann an authentischen Orten noch besser begreifen. Martin Schmidt sieht ein Jahr nach Einweihung des Reimann-Zeichens eine positive Wirkung der Plastik. Sie ziehe Besucher in die Stadt und helfe, dass sich die Einwohner besser mit ihrer einstigen Mitbürgerin Brigitte Reimann identifizieren. Bernd Wolfgang Hawel, der Mann aus Schleswig-Holstein, sieht Hoyerswerda durch die Brille eines Stadtplaners. Er bezeichnet die Stadt als "Museum der Baugeschichte". An der Stadt könne er die Phasen des Plattenbaus ablesen, sagt der Planer, und ergänzt, vierstöckige Häuser hätten "ein menschliches Maß". Hawel lobt: "Im sanierten Zustand mit den vielen Bäumen macht die Stadt einen lebenswerten Eindruck und ist zukunftsfähig."

 

Zur Person:
Brigitte Reimann, geboren am 21. Juli 1933 in Burg (bei Magdeburg), wurde 33 Jahre alt. Sie kam 1960 nach Hoyerswerda, wo sie bis 1968 wohnte. Während dieser Jahre arbeitete sie im Kombinat Schwarze Pumpe. Für ihre Erzählung "Die Geschwister" (1963), die sich mit dem Thema der Flucht in den Westen beschäftigt, erhielt sie den Heinrich-Mann-Preis. Ab 1968 wohnte sie in Neubrandenburg und arbeitete dort an ihrem Hauptwerk "Franziska Linkerhand". Sie erlag 1973 einem Krebsleiden. Der Beitrag von Mirko Schwanitz über Brigitte Reimann gehört zu einer Reihe im Deutschlandfunk, die vom 17. bis 19. August um 17.30 Uhr in "Kultur heute" ausgestrahlt werden soll.