Der Zauber von Ravenna

Pfarrer Manfred Dietrich, Foto Januar 2014 Ravenna, die Stadt an der Ostküste Italiens, mit seiner mehr als zweitausend Jahre währenden Kulturgeschichte zog am Mittwoch Freunde der Geschichte, der Kunst und des Reisens ins Schloss zum Gespräch am Kamin. Pfarrer Manfred Dietrich führte bereits mehrmals an Orte, an denen sich Geist, Kunst, Macht und Geschichte kreuzten. Das Ziel seiner Reisen nannte er, zu sehen wie alles gekommen sei, was an den Orten, die wir heute als Touristen besuchen, früher geschah. Ravenna verlockt in dieser Hinsicht, denn Zeugnisse zweier Jahrtausende und verschiedener Kulturen sind dort zu sehen und lassen nachdenken.
So errichtete dort der römische Kaiser Augustus, der in der Weihnachtsgeschichte der Bibel genannt wird, um das Jahr Null unserer Zeitrechnung einen Hafen anlegen lassen, um Zugang zum Ägäischen Meer zu haben. Das Meer zog sich in den zwei Jahrtausenden so weit zurück, dass heute 10 Kilometer die Stadt vom Meer trennen. Die zahlreichen Wandlungen der Stadt durch Völkerwanderungen, Kriegszüge, Zu- und Abwanderungen, als Sitz berühmter Kaiser und Könige, die unterschiedlichen Völkern und Religionen angehörten, stellte Manfred Dietrich kurz und konzentriert vor. Da war von Kaiser Theodosius dem Großen, der das ost- und weströmische Reich letztmalig einte und regierte, zu hören, von der Kaiserin Galla Placidia, die im 6. Jahrhundert 25 Jahre jenes Reich lenkte, vom germanischen rex Odoaker und vom Ostgoten Theoderich, der als Dietrich von Bern im Nibelungenlied besungen wird. Menschen ganz verschiedener Völker, Eroberer und Besiegte verwirklichten in Ravenna Träume der Architektur und der Landschaftsgestaltung. Einige der berühmten Konzilien (Versammlung aller Bischöfe) der alten Kirche wurden von hier einberufen. Deren Bekenntnisse sind bis heute gültig.
Vor allem wurden hier vor 1500 Jahren jene Bauwerke errichtet und mit Mosaiken geschmückt, die heute zum Weltkulturerbe gehören. Bei einem Spaziergang durch Ravenna war des Staunens kein Ende: Die Kuppel des Mausoleums der Kaiserin Galla Patricia wurde innen mit einem leuchtend blauen Glasmosaik ausgekleidet, auf dem goldene Sterne glänzen, deren Mitte das Kreuz bildet. Das Mausoleum des Theoderich wiederum deckt als Kuppel ein Monolith von 6 m Durchmesser und einer Stärke von einem Meter. Auch hier sind Mosaiken bezaubernder Lebendigkeit und Leuchtkraft zu sehen, desgleichen in den Baptisterien der Arianer und der Orthodoxen mit ihren kleinen, fast zierlichen Vielecken wirken sie anheimelnd. Die Mosaikkunst, vor anderthalb Jahrtausenden entstanden, wirkt heute noch so lebendig wie im 5. Jahrhundert. Auf einem schreitet einer der Könige aus dem Morgenland zur Krippe Christi eine Treppe hinauf, geschmeidig, munter, erwartungsfroh. Er wirkt wie eine Person unserer Tage auf einem Foto und nicht aus kleinsten Steinen gefügt. Faszination ging von den romanischen Kirchen mit ihren Säulenreihen, die sehr langen Kirchenschiffe bilden und doch dem jeweiligen Ravenna, Grabmahl Theoderichs, errichtet um 520.Raum Rhythmus, Orientierung und Ruhe. Die hohen, sehr schlanken, fast grazil wirkenden Säulen aus Marmor von Konstantinopel tragen die romanischen Bögen mit den Fenstergalerien darüber und das Dach. Die Maße der Räume sind wohl abgewogen, der Besucher verliert sich weder in unübersehbarer Weite, noch entsteht Enge, Länge und Höhe sind wohl abgewogen. Sie schuf unbekannte Meisterhand vor anderthalb Jahrtausenden.
Der Vortrag war kurzweilig, ließ bei Landschaftsfotos träumen und manche Zuhörer Reisen noch einmal auskosten oder Reise-Pläne schmieden. Denn ein Grundsatz des Reisens bewahrheitet sich immer wieder: Man sieht nur, was man kennt. Beides schenkte dieses Gespräch am Kamin in Fülle. Weitere werden sich im nächsten Jahr an.

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