Religionspädagogin Helene Schmidt referiert über die Theologie Dietrich Bonhoeffers (1906-1945) in der Gesprächsreihe Christentum XXXIII am 07.02.2006

Eine Erkenntnis kann nicht getrennt werden von der Existenz, in der sie entsteht. Dieser Satz Dietrich Bonhoeffers bedarf durchaus einer näheren Betrachtung. 
Nach soviel Bonhoeffer – Ehrung und Darstellungen seines Lebensweges zum 100. Geburtstag dürfte es an der Zeit sein, seine Theologie näher kennen zu lernen, meinte Helene Schmidt. Und so wurde der Gesprächsabend zu einer eindrucksvollen Begegnung mit dem Denken und Fühlen Dietrich Bonhoeffers, zwangsläufig immer wieder korrespondierend mit all seinen Lebens- und Leidenswegen.
Denn wie kaum ein anderer lebte Dietrich Bonhoeffer das, was er sagte.
Eine Erkenntnis kann nicht getrennt werden von der Existenz, in der sie entsteht, das heißt nicht unabhängig vom Leben, das gerade heute und jetzt stattfindet. Bonhoeffers Wissen um den christlichen Glauben basiert auf einer protestantischen religionslosen Erziehung, die im Elternhaus und im Freundeskreis beginnt. Christlicher Glaube kann sich nur auf die Bibel besinnen und ist nicht an kirchliche Institutionen gebunden. Ein Theologiestudium in Tübingen beginnt er bereits mit 17 Jahren, promoviert später in Berlin, lernt und arbeitet an vielen Orten der Erde. Seine geistigen Vorbilder sind Paulus, Luther, Kierkegaard und Barth. Und alles, was er um seine Existenz herum wahrnimmt, sieht er im Blickwinkel dieser christlichen Ethik, die für ihn vor allem Nachfolge bedeutet. Nachfolge, das heißt: den Nächsten wahrnehmen, für Gerechtigkeit sorgen, den Schwachen und Entrechteten beistehen und Gemeinschaft halten. „Trachtet nachdem, was auf Erden ist… denn Gott lädt uns zum Handeln ein…“ Und er versucht zu handeln, indem er sich der Bekennenden Kirche zur Verfügung stellt, indem er auf den Ökumenischen Tagungen auf die Missstände in Deutschland hinweist, zum Frieden aufruft, so dass es die Völker hören sollen. „… die Welt starrt in Waffen, der Krieg kann morgen beginnen, worauf warten wir noch? Wollen wir mitschuldig werden wie nie zuvor?“ Er hofft, dass ein solcher politischer Widerspruch durch ein evangelisches Konzil zustande kommt, für das er wirbt. Als aber nach der Reichskristallnacht 1938 auch die Bekennende Kirche kein öffentliches Wort mehr gegen den Staat richtet, beschließt er, dem Rad auf eigene Verantwortung in die Speichen zu fallen. Er arbeitete als Vermittler zwischen dem Ausland und dem Widerstand um Admiral Canaris, Helmut Moltke, Hans von Dohnanyi und Hans Oster. Doch seine Tätigkeit auf dem weltlichen Sektor lässt ihn an seiner christlichen Haltung zweifeln. Und diese Überlegungen fließen in sein Buch „Ethik“ ein: Die Kirche blieb stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schreit… Er wird schreien.
Bonhoeffers Antwort auf die Frage „Wer ist Christus heute?“ lautet am Ende seines Lebensweges: Jesus, der Mensch für andere, der zu einem verantwortlichen Leben verhilft, das Ängste, Sehnsüchte und Leid ertragen kann.
Die offizielle Kirche hatte sich von ihm losgesagt, weil er mit seinen politischen Aktivitäten zu weit ging. Ich glaube eher, er war für sie zu nahe daran an dem, was den christlichen Glauben ausmacht, und das ist unbequem.
Weltliche Mächte haben seinem Leben am 9.April 1945 gewaltsam ein Ende gesetzt, ebenfalls weil er unbequem war.

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